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Dienstag, 21. August 2012

Studie: Niemand saniert so hart wie die Griechen Irische Zentralbank vergleicht Anstrengungen zum Defizitabbau in den Euro-Krisenländern

Studie: Niemand saniert so hart wie die Griechen
Irische Zentralbank vergleicht Anstrengungen zum Defizitabbau in den Euro-Krisenländern


theu. LONDON, 20. August. Das Klischee
vom griechischen Schlendrian ist weit verbreitet,
dabei unternimmt kein Krisenland
der Eurozone so harte Anstrengungen
zur Sanierung der Staatsfinanzen wie
Griechenland. Das zeigt eine neue Untersuchung
der Irischen Zentralbank. Der
griechische Staat hat nach Berechnung
der Notenbank-Ökonomin Laura Weymes
in den vergangenen beiden Jahren
Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen
im Volumen von 20 Prozent der Wirtschaftsleistung
vorgenommen und damit
fünfmal so viel wie Portugal und Spanien
bislang. Selbst Irland, das für seine entschlossene
Sparpolitik als vorbildlich gelobt
wird, ging bei der Haushaltssanierung
nicht annähernd so hart vor wie
Griechenland, schreibt Weymes.
Ein Ende der Leidenszeit ist für die
Griechen aber nicht in Sicht: Die Studie
beziffert das Gesamtvolumen der Sanierungsmaßnahmen
bis Ende 2014 mit einem
Drittel der Wirtschaftsleistun'g. Tatsächlich
werden die Belastungen für die
Bevölkerung wohl sogar noch größer ausfallen,
denn der Vergleich der Ökonomin
bezieht nur Haushaltsmaßnahmen ein,
die bis Ende April angekündigt waren.
Auf Druck des Internationalen Währungsfonds
(IWF) kündigte die Regierung in
Athen jüngst weitere Einschnitte an

Ein Erfolg der Radikalkur ist allerdings
fraglich. Höhere Steuern und Kürzungen
verschärfen die tiefe Rezession in Griechenland.
Ohne Wirtschaftswachstum
aber wird der Schuldenabbau noch schwerer.
Dieser Effekt und die wachsenden
Zinslasten machen die Sanierungserfolge
zunichte. Weymes spricht von einem
„Schneeball-Effekt“ - einer Schuldenlawine,
die womöglich alle Sanierungsbemühungen
unter sich begräbt.

Jüngste Zahlen des griechischen Finanzministeriums
zeigen, dass die staatliche
Schuldenlast des Landes allein in den
drei Monaten April bis Juni um mehr als
20 Milliarden Euro auf 304 Milliarden
Euro gewachsen ist. Rechnerisch schwoll
die griechische Staatsschuld damit jede
Stunde um 11 Millionen Euro an (F.A.Z.
vom 18. August). Der IWF erwartet, dass
die Schuldenquote Griechenlands erst
nächstes Jahr zu steigen aufhören werde.

Irland ist dagegen erfolgreicher. Obwohl
das staatliche Haushaltsdefizit in
Dublin noch höher ist als das in Athen,
konnte die kleine Inselrepublik Ende Juli
erstmals seit fast zwei Jahren wieder eine
mehrjährige Staatsanleihe begeben. Irland
bekommt also, zumindest in kleinem
Umfang, wieder Kredit am Finanzmarkt
und beginnt, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Die Iren begannen schon
2008 und damit zwei Jahre vor den Griechen
mit dem Sparen. Außerdem war der
Schuldenstand zu Beginn der Krise viel
niedriger als in Griechenland.
Laut Weymes setzte Irland zudem stärker
auf Ausgabenkürzungen als auf Steuererhöhungen.
Die negativen Auswirkungen
auf das Wachstum seien dadurch tendenziell
geringer. Irlands Wirtschaft ist
außerdem leistungsfähiger, umso mehr
Schulden kann sich ein Land tendenziell
leisten. Der IWF erwartet, dass die griechische
Wirtschaft dieses Jahr um weitere
4,7 Prozent schrumpft. Im Vergleich zu Irland
fehlen dort vor allem wettbewerbsfähige
Exportunternehmen. Die Inlandsnachfrage
ist in Irland wegen der drastischen
Sparmaßnahmen zwar ebenfalls
eingebrochen, aber dank des Exports erreicht
das Land 2012 laut IWF voraussichtlich
ein Miniwachstum - und liegt damit
im gleichen Konjunkturtempo wie
Deutschland und Frankreich.


FAZ Print 21.8.2012 Nr. 194 S. 11

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