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Montag, 29. Juli 2013

Für Kruse ist das Programm illegale Staatsfinanzierung. „Man muss davon ausgehen, dass ein erheblicher Teil dieser Staatsanleihen später per Schuldenschnitt und damit zu Lasten der Steuerzahler entwertet wird. Dies ist ein gewaltiger Transfer von Vermögen vom Norden in die betreffenden mediterranen Länder“, schreibt er.


BundesverfassungsgerichtStreit um Ökonomen-Aufruf zur EZB

 ·  Eine Gruppe Ökonomen will der Europäischen Zentralbank den Rücken stärken und per Aufruf ein höchst umstrittenes Anleihekaufprogramm verteidigen. Nicht jeder, der angefragt wurde, will unterschreiben.
In einem drastisch formulierten Aufruf warnen Ökonomen davor, dass die Weltwirtschaft in eine „tiefe Depression“ rutscht, wenn das Bundesverfassungsgericht die Macht der Europäischen Zentralbank (EZB) einschränken sollte. „Wir – eine vielfältige Gruppe von Ökonomen aus der ganzen Welt – sind schwer beunruhigt über die Angriffe in Deutschland von einigen Ökonomen, Politikern und Beobachtern auf die EZB und ihre Politiken, besonders gegen das OMT-Anleihekaufprogramm“, heißt es in dem Aufruf.
Mit dem im vergangenen Herbst auf den Weg gebrachten OMT-Programm kündigte die Notenbank an, notfalls gegen Auflagen weitere Staatsanleihen von Euroländern mit Finanzierungsschwierigkeiten zu kaufen. Das Programm, das auf die berühmte Londoner Eurorettungsrede des EZB-Präsidenten Mario Draghi folgte, stoppte die Panik an den Finanzmärkten wesentlich.
Vor dem Bundesverfassungsgericht sind daraufhin mehrere Klagen gegen das Programm eingegangen. Für die nun aufrufenden Ökonomen zählen diese Klagen ebenfalls zu den Angriffen auf die EZB. Sollte Karlsruhe das Anleihekaufprogramm eingrenzen, könne die Krise eskalieren, weil Spekulanten „eingeladen“ würden, warnen sie.

„Eine Beleidigung des Gerichts“

Verfasser des Aufrufs sind Marcel Fratzscher, der das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin leitet und zuvor für die EZB arbeitete, die in Mainz lehrende ehemalige Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro, die jetzt dem Verwaltungsrat der Schweizer Bank UBS angehört, der Genfer Makroökonom Charles Wyplosz, der Mailänder Professor Francesco Giavazzi und Richard Portes von der London Business School.
Nach Angabe von Fratzscher haben schon mehr als 100 Ökonomen den Aufruf unterschrieben. „Und darunter sind nicht nur Ökonomen aus dem Ausland, sondern auch viele deutsche Kollegen“, äußert er.
Aber nicht alle um Mithilfe gebetenen Forscher sind einverstanden. „Bei allem Respekt finde ich diesen Aufruf äußerst fürchterlich“, antwortete beispielsweise der Bonner Makroökonom Jürgen von Hagen den Initiatoren. „Es ist das Recht des Gerichthofs zu entscheiden, was richtig oder falsch ist. Wollt ihr andeuten, dass der Gerichtshof der Stimme der Massen gehorchen soll, selbst der Masse der Ökonomen?“ Das sei eine „Beleidigung des Verfassungsgerichts“.

Gerichtspräsident redet von Staatsfinanzierung

Der ebenfalls in Bonn lehrende Geldtheoretiker Manfred Neumann äußerte sich ähnlich. Von dem vom DIW organisierten Aufruf sei nichts zu halten. „Er läuft faktisch auf den Versuch hinaus, öffentlichen Druck auf das Bundesverfassungsgericht auszuüben.“ Das sei dumm, weil die Richter nur Argumente wägen werden, nicht politische Petitionen und die Anzahl von Unterstützern.“
Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung spielte Fratzscher herunter, dass sich der Aufruf vor allem an das Bundesverfassungsgericht wende. Beunruhigend aus seiner Sicht waren die sehr kritischen Fragen der obersten deutschen Richter während der mündlichen Verhandlung im Juni.
Zu den vom Gericht befragten Sachverständigen gehörte auch Fratzscher. Verfahrensbeobachter äußerten während und nach der Verhandlung, dass die Richter offenbar einer kritischen Interpretation des OMT-Programms zuneigen. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sagte explizit: „Im Ergebnis wird man nicht bestreiten können, dass der Effekt der Staatsfinanzierung eintritt.“ Staatsfinanzierung durch die Notenbank ist laut EU-Vertrag verboten.

„Eine Einladung für Spekulanten“

Die EZB bestreitet indes, dass das OMT-Programm so angelegt sei; sie behauptet, dass Programm sei geldpolitisch notwendig. In Deutschland glauben ihr das aber viele Ökonomen nicht. Der langjährige Vorsitzende der Wirtschaftsweisen (Sachverständigenrat), Wolfgang Franz, nannte Staatsanleihekäufe durch Zentralbanken stets eine „Todsünde“.
Die fünf Initiatoren des aktuellen Aufrufs wollen nun die EZB verteidigen. Die „Attacken“ auf die Zentralbank seien „inhaltlich falsch, mit verfehlten Absichten und schädlich für Europa und die globale Wirtschaft“, schreiben sie. Das OMT sei ein großer Erfolg, seine Ankündigung gehöre zu den „geschicktesten und erfolgreichsten Kommunikationen seit Jahrzehnten“, betonen die Aufruf-Schreiber um Fratzscher.
Die EZB habe einen Ansturm auf Banken (Bankrun) verhindert und die Unsicherheit reduziert - ohne einen einzigen Euro auszugeben. Wenn aber das Verfassungsgericht versuche, der EZB „Restriktionen aufzuerlegen, wie sie das OMT-Programm ausführt“, dann sei dies eine große Gefahr. „Jede Begrenzung des Einsatzes wäre eine Einladung für Spekulanten.“

Deutsche Ökonomen gegen den Rest der Welt?

Nicht dieser Ansicht und ebenfalls ein Kritiker des Aufrufs ist Ansgar Belke, Makroökonom und Geldtheoretiker an der Universität Duisburg-Essen. Eine Massenpetition werde die nächste Gegenpetition provozieren. Er wirft den Aufrufeden vor, dass im Endeffekt der Eindruck vermittelt werden solle, dass der Mainstream der deutschen Ökonomen gegen den Rest der Welt stehe.
Fratzscher warf vor kurzem in einem Interview mit der Börsenzeitung vielen deutschen Ökonomen eine „verklärte Melancholie“ für die Zeit vor, als noch mit D-Mark gezahlt wurde. Der Spitzenkandidat der Partei Alternative für Deutschland in Hamburg, Jörn Kruse, der Wirtschaftsprofessor an der dortigen Bundeswehr-Universität ist, wies dies zurück. Es gehe nicht um Melancholie, sondern um die Rechtmäßigkeit des OMT.
Für Kruse ist das Programm illegale Staatsfinanzierung. „Man muss davon ausgehen, dass ein erheblicher Teil dieser Staatsanleihen später per Schuldenschnitt und damit zu Lasten der Steuerzahler entwertet wird. Dies ist ein gewaltiger Transfer von Vermögen vom Norden in die betreffenden mediterranen Länder“, schreibt er.

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