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Mittwoch, 31. Juli 2013

Hinweise auf CD können für Verurteilung reichen

SteuerhinterziehungHinweise auf CD können für Verurteilung reichen

 ·  Auch wenn die Informationen auf einer Daten-CD nicht ausreichen, um die Schuld nachzuweisen, dürfen sich die Steuerpflichtigen keinesfalls sicher fühlen. Ergibt das Material ein klareres Bild, lässt es sich mit weiteren Ermittlungsergebnissen kombinieren.
Die Überführung des Steuersünders erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst bedarf es eines Ermittlungsansatzes. Die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen ist nur möglich, wenn den Behörden zureichende Informationen zugänglich werden, die nach kriminalistischer Erfahrung auf eine Straftat hindeuten. Gemeint ist damit der Anfangsverdacht, wobei die Hürden in der Praxis niedrig liegen. Im Steuerstrafrecht wurde ein solcher Verdacht zum Beispiel angenommen, wenn ein Steuerpflichtiger seine Bank beauftragt hatte, über bankinterne Konten sein Vermögen anonym nach Luxemburg zu verlagern oder wenn Unterlagen vorlagen, die darauf hindeuten, dass der Steuerpflichtige eine Familienstiftung in Liechtenstein gegründet hat.
Seit etwa fünf Jahren spielen jedoch die sogenannten CD-Fälle die größte Rolle. Datendiebe verkaufen bankinterne Informationen, die in Deutschland steuerpflichtige Sünder enttarnen, wobei die Qualität der Daten variiert. Teilweise werden Daten elektronisch kopiert, Dokumente fotokopiert oder neuerdings die Anzeige eines Computerbildschirms abfotografiert. Teilweise wird eine Kontenhistorie über mehrere Jahre oder nur ein Depotstand auf einen Stichtag den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt. Es sind auch Fälle bekannt, in denen die Datendiebe Tabellen erstellt und die Bankdaten darin eingetragen haben. Kurzum die Datenqualität ist sehr unterschiedlich und bedarf einer Bewertung.

Steuerrazzia mit Google Earth

Bevor eine Behörde einem Datenankauf zustimmt, werden die Daten stichprobenartig geprüft. Hierzu wird das Kontrollmaterial mit der Steuerakte der betreffenden Steuerpflichtigen abgeglichen und überprüft, ob ausländische Kapitaleinkünfte in der Vergangenheit deklariert wurden oder ob vielleicht zwischenzeitlich eine Selbstanzeige abgegeben wurde. Ist beides nicht der Fall, wird die Ermittlungsbehörde ein Steuerstrafverfahren einleiten. Da die Schwelle für den Anfangsverdacht niedrig ist und lediglich die Möglichkeit einer begangenen Straftat voraussetzt, wird der Ermittlungsrichter auch einen Durchsuchungsbeschluss unterschreiben, solange das Datenmaterial halbwegs plausibel erscheint. Das ist jedenfalls die Erfahrung aus unzähligen Verfahren. Auch wenn das Datenmaterial aus 2002 herrührt und damit lange zurückliegt, soll dies auf die Möglichkeit einer späteren Steuerstraftat schließen lassen. Die Durchsuchung soll dann den Anfangsverdacht erhärten.
Zu diesem Zweck erscheinen frühmorgens mehrere Steuerfahnder an allen erdenklichen Orten, die Beweismittel vermuten lassen: Also insbesondere Wohnhaus, Unternehmen oder Ferienwohnsitz. Die Planung des Einsatzes erfolgt unter Zuhilfenahme von Google Earth, um auch etwaige Fluchtwege abzusichern. Jeder Steuersünder wird zunächst davon ausgehen, dass bei ihm nichts zu finden sei. Die Bankunterlagen des Auslandsvermögens werden nicht in Deutschland verwahrt, und die Bank ist instruiert, keine Post nach Deutschland zu senden. Das wissen auch die Ermittler, trotzdem ist die Durchsuchung die Stunde der Fahnder, weil der Steuersünder von dem Zugriff überrascht wird und sich dadurch in der Defensive befindet, auch wenn er keine Aussage zur Sache machen muss. In prominenten Fällen besteht zudem das Risiko von Presseberichterstattung mit den damit einhergehenden Reputationsschäden.
Aber auch wenn die Durchsuchung keine Bankunterlagen zutage fördert, so sind es oft eigene Aufzeichnungen, die den Steuersünder entlarven. Es liegt in der deutschen Mentalität, die Dinge zur besseren Kontrolle aufzuschreiben. Das kann eine doppelte Buchführung sein oder die Kontoendjahresbestände im persönlichen Notizbuch. Natürlich werden auch Namen und Telefonnummern von Banken und Kundenbetreuern im Ausland mehr oder weniger intelligent verschlüsselt dokumentiert. Die Durchsuchung ist daher häufig eine geeignete, wenn auch aufwendige Ermittlungsmaßnahme.

Zocken geht nur selten gut

Kürzlich hat das Amtsgericht Nürnberg (Az: 46 Ds 513 Js 1382/11) ein Ehepaar freigesprochen, dass im Zusammenhang mit LGT-Daten in den Fokus geriet. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Steuerstraftat nicht mit der notwendigen Sicherheit nachgewiesen werden könne, da Kontostände zu bestimmten Stichtagen noch nichts über den weiteren Verlauf der Geldanlage und deren Dauer aussagen können. Welche Bedeutung hat nun diese Entscheidung? Ist jetzt damit zu rechnen, dass Verurteilungen auf der Basis von Steuer-CDs reihenweise versagt werden? Sicher nicht, die Entscheidung ist mit Vorsicht zu genießen und sollte nicht verallgemeinert werden.
Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls. Wer zum Beispiel nachweislich im Jahr 2002 Vermögenswerte in Höhe von 200.000 Euro besessen hat, muss über dieses Vermögen im Jahr 2012 nicht unbedingt mehr verfügt haben. Er kann es verbraucht, ertraglos gestellt oder innerhalb der Freibeträge verschenkt haben. Für eine Verurteilung muss die Steuerverkürzung zur Überzeugung des Gerichts aber feststehen und nicht nur möglich erscheinen. Haben die Ermittlungen keine weiteren Anhaltspunkte ergeben, ist eine Verurteilung unwahrscheinlich. Anders ist der Fall aber zu beurteilen, wenn etwa Kontrollmaterial aus 2008 vorliegt und das Vermögen mehrere Millionen beträgt. Es wäre lebensfremd, annehmen zu wollen, dass diese Vermögen keine steuerpflichtigen Erträge abwerfen. Die Ungewissheit, die genaue Höhe der verkürzten Steuern bestimmen zu können, wird auf der Basis von Durchschnittswerten und entsprechenden Abschlägen kompensiert werden können.
Übrigens gilt das auch für den Nürnberger Fall. Eine „vorsichtige“ Schätzung hätte sehr wohl auf ein sicheres Hinterziehungsvolumen schließen lassen. Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass wesentliche Vermögenswerte in einer Liechtensteinischen Stiftung steuerneutral geparkt werden.
Eine weitere Frage ist, ob diejenigen, die von einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren betroffen sind, mit einer defensiven Strategie gut bedient sind. Wer nicht kooperiert, muss sich auf eine lange Verfahrensdauer einstellen und verwirkt einen erheblichen Strafmilderungsgrund, wenn er an der Aufklärung der Straftat nicht mitwirkt. Der Grundsatz lautet daher: Zocken geht im Steuerstrafrecht nur selten gut.
Karsten Randt ist Partner der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater mit Sitz in Bonn, Berlin, Frankfurt/M. und München sowie Repräsentanzen in Wien und Zürich.
Quelle: F.A.Z.

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