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Donnerstag, 24. Oktober 2013

Merkels Handy abgehört? „Ganz schwerer Vertrauensbruch“


Merkels Handy abgehört?„Ganz schwerer Vertrauensbruch“

 ·  Nach Hinweisen auf eine Überwachung des Handys von Kanzlerin Merkel durch amerikanische Geheimdienste fordern Politiker aller Parteien Aufklärung. Die Grünen hingegen kritisieren Merkel. Einige warnen vor einer Verschlechterung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses.
Die Empörung ist groß: Das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist laut einem Magazinbericht von amerikanischen Geheimdiensten überwacht worden. Politiker aller Parteien fordern nun Aufklärung seitens der Amerikaner. Gleichzeitig werden jedoch auch Warnungen vor einer Verschlechterung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses laut.
„Sollten sich die Hinweise bewahrheiten, wäre es ein ungeheuerlicher Vorgang und ein massiver Vertrauensbruch“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer. „Ein solches Vorgehen der amerikanischen Geheimdienste hätte eine neue Qualität und wäre scharf zu verurteilen. Die Vereinigten Staaten müssen jetzt umfassend und nachvollziehbar für Aufklärung sorgen.“
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann (SPD), sagte in Berlin: „Sollte dieser Vorwurf zutreffen, wäre das ein ganz schwerer Vertrauensbruch.“ Dies müsse „sofort und umfassend aufgeklärt werden“.
Der Franktionsvorsitzender der Linken Gregor Gysi sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Diese Unverschämtheiten der Amerikaner  müssen endlich unterbunden werden. Amerika ist keine Macht, der die Welt gehört. Ich erwarte jetzt nicht nur Proteste, sondern ernstzunehmenden Widerstand.“

Grüne kritisieren Merkel

Die Grünen kritisierten hingegen Merkels bisheriges Agieren angesichts der schon seit Monaten erhobenen Spähvorwürfe gegen den Geheimdienst NSA. „Es ist schon skandalös, dass die Regierung im Verlauf der gesamten NSA-Affäre beschwichtigt und vernebelt hat, jetzt aber, da es um die Vertraulichkeit der Kommunikation der Kanzlerin geht, ruft Merkel in eigener Sache den amerikanischen Präsidenten an und empört sich“, sagte der Innenexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, „Handelsblatt Online“.
Nach Angaben des Portals „Spiegel Online“, das zuerst über das Thema berichtete, hatten „Spiegel“-Recherchen die Reaktion der Bundesregierung ausgelöst. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach geht von „handfesten Belegen“ und von einer „seriösen Quelle“ für die Vorwürfe gegen die amerikanischen Dienste aus. Andernfalls wäre die Bundesregierung mit den brisanten Informationen nicht an die Öffentlichkeit gegangen, sagte Bosbach der „WAZ“ (Donnerstagsausgabe).
SPD-Innenexperte Michael Hartmann sagte der Zeitung „Welt“ (Donnerstagsausgabe), vieles spreche dafür, dass die Daten von Merkels Handy überwacht wurden. „Das sprengt alle Dimensionen“. Die Amerikaner müssten nun im Detail aufklären, damit das Verhältnis zwischen beiden Staaten nicht maßgeblich gestört werde. „Die Vereinigten Staaten laufen Gefahr, ihr Gesicht zu verlieren.“ Der Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl forderte in der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Online), dass sich das Parlamentarische Kontrollgremium bereits an diesem Freitag mit dem Vorgang befassen soll.

Merkel telefoniert mit Obama

Am Mittwochabend hatte Regierungssprecher Steffen Seibert mitgeteilt, dass Merkels Handy möglicherweise von amerikanischen Geheimdiensten ausgespäht worden sei. Die Bundesregierung habe entsprechende Informationen erhalten und bei der amerikanischen Regierung „um sofortige und umfassende Aufklärung gebeten.“ Die amtierende Kanzlerin telefonierte deshalb mit Präsident Barack Obama.
Merkel machte Obama deutlich, dass sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, „unmissverständlich missbilligt und als völlig inakzeptabel ansieht“, wie Seibert sagte. Unter engen Partnern, wie es Deutschland und Amerika seit Jahrzehnten seien, dürfe es Überwachung der Kommunikation eines Regierungschefs nicht geben. Solche Praktiken stellten einen „einen gravierenden Vertrauensbruch“ dar und müssten unverzüglich unterbunden werden.
Das Weiße Haus erklärte, Merkel werde nicht ausspioniert. Regierungssprecher Jay Carney sagte in Washington: „Die Vereinigten Staaten überwachen die Kommunikation der Kanzlerin nicht und werden sie nicht überwachen.“ Dies habe Obama Merkel in dem Telefonat versichert. Zudem hätten beide eine noch engere Zusammenarbeit der Geheimdienste vereinbart. Auf Praktiken der amerikanischen Geheimdienste in der Vergangenheit ging Carney bei seiner täglichen Pressekonferenz jedoch nicht ein.
Merkel forderte, über den möglichen Gesamtumfang solcher Abhörpraktiken gegenüber Deutschland aufzuklären. Sie erwarte, dass Washington Fragen beantworte, die die Bundesregierung vor Monaten gestellt habe.
Bereits im Sommer war nach Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden bekanntgeworden, dass die NSA auch in Deutschland angeblich im großen Stil Kommunikation von Bürgern und Politikern auskundschaftet. Die Bundesregierung bemühte sich um Aufklärung. Nach Gesprächen erklärte sie den Vorwurf der massenhaften Ausspähung deutscher Daten für ausgeräumt.
In der Erklärung der Bundesregierung von Mittwoch heißt es weiter, als enger Bündnispartner der Vereinigten Staaten erwarte sie für die Zukunft „eine klare vertragliche Grundlage über die Tätigkeit der Dienste und ihre Zusammenarbeit“. 

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