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Donnerstag, 30. Januar 2014


SteuerhinterziehungDer Finanzplatz Schweiz muss sich neu erfinden

  ·  Das Paradies für Steuerhinterzieher war gestern. Die Schweiz sucht eine neue Strategie als Finanzplatz. Ein Schlüssel könnte das Management größerer Vermögen sein.
© BLOOMBERGVergrößernKulturwandel: Banken drängen ihre Kunden zur Selbstanzeige.
Im September 2007 legte die Schweiz einen „Masterplan“ für ihren Finanzplatz vor. Daraus ist nie etwas geworden, die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, der Druck auf das nicht versteuerte Geld von Ausländern in der Alpenrepublik, die schärfere Aufsicht über die Banken, aber auch die (Schein-)Blüte der Schwellenländer hatten dem Vorhaben den Garaus gemacht. Jetzt versucht die Regierung einen neuen Anlauf. Eine Expertengruppe unter dem Volkswirtschaftsprofessor und früheren Chefökonomen in Bern Aymo Brunetti arbeitet seit dem Herbst 2013 an der „Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie“, wie der offizielle Auftrag für das Gremium heißt. Einfach ist die Aufgabe nicht, steht der mit knapp 2 Billionen Euro größte Anlegerhafen für ausländische Privatvermögen doch unvermindert unter Druck – durch die EU, durch ausländische Staaten und durch Finanzzentren wie London, Luxemburg, Singapur und Hongkong. Alle wollen von den Reichen dieser Welt zehren.
Eine wichtige Frage hatte eine erste Expertengruppe unter Leitung Brunettis schon bis Juni vergangenen Jahres für sich entschieden: Die Schweiz ist zum automatischen Informationsaustausch über Bankkunden bereit. Der Aufschrei in bürgerlichen Kreisen verebbte rasch. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und die Regierung, die 2009 zunächst nur auf die Amtshilfe in konkreten Verdachtsfällen von Steuerhinterziehung einschwenkte, haben sich inzwischen diese Linie zu eigen gemacht. Allerdings will sie den AOb Länder wie die Vereinigten Staaten, Großbritannien und auch Deutschland dazu bereiutomatischen Informationsaustausch nur im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einführen und auch nur dann, wenn die Vertragspartner ebenfalls Bankdaten liefern. t sein werden, steht vorläufig in den Sternen.

„Die Amerikaner führen einen Wirtschaftskrieg“

Der Wirtschaftsmacht Amerika hat die Schweiz im Gefolge anderer Staaten die Nennung von verdächtigen Bankkunden im Rahmen des sogenannten Fatca-Abkommens zugestanden. Von Gegenseitigkeit ist dort keine Rede. Darüber hinaus betreiben die Banken gegenüber den Vereinigten Staaten finanzielle Vergangenheitsbewältigung, um Anklagen wegen mutmaßlicher Beihilfe zur Steuerflucht zu entrinnen. Die UBS hatte in einer Notaktion mit Billigung des Staates 2009 knapp 5000 Bankkundendaten geliefert und 780 Millionen Dollar gezahlt. Bußgelder stehen auch für viele andere Institute im Raum. Die Credit Suisse und ein Dutzend anderer Banken müssen sich mit dem amerikanischen Justizministerium direkt einigen, die übrigen der rund 300 Häuser haben die Amerikaner in ein Programm gezwungen. So müssen nicht nur die Steuerhinterzieher zahlen, sondern auch die Banken. Die Höhe der Bußgelder ist noch unbekannt, aber selbst 10 Milliarden Dollar gelten nicht als abwegig. Für die einschlägige Gruppe mutmaßlicher Sünder haben sich – auch um auf Nummer Sicher zu gehen – mehr als 100 Banken gemeldet. „Die Amerikaner führen einen Wirtschaftskrieg“, argwöhnen manche Beteiligte.
Gegenüber der EU ist der Automatische Informationsaustausch gleichfalls ein Thema. Die Schweizer Regierung will hier nicht schon jetzt Terrain preisgeben. Daher wird vorläufig über die Ausweitung der automatischen, aber anonymen Zinsbesteuerung von Anleihen auf weitere Kapitaleinkünfte geredet. Schwarze Vermögen schmelzen unterdessen auf andere Weise ab. Mit Großbritannien und Österreich hat die Schweiz Abgeltungssteuerabkommen mit anonymen Pauschalzahlungen für die Vergangenheit vereinbart. Mit Deutschland ist dies im Dezember 2012 misslungen. Verschiedene Bundesländer setzen indes lieber auf den Ankauf gestohlener CDs mit Daten von Steuersündern. Die Käufe und das gescheiterte Abkommen haben zu einer Flut an Selbstanzeigen geführt. Den Rest besorgen die Banken. Sie drängen die Steuerverstecker unter ihren ausländischen Kunden zu Selbstanzeigen, selbst wenn diese, wie in den skandinavischen Ländern, Strafverfahren nach sich ziehen. In den wichtigsten Ländern Mitteleuropas bestehen Amnestien in der einen oder anderen Form, als Letzter dieser Staaten plant jetzt auch Italien ein weiteres Programm. Ende des Jahres sollte sich die Frage westeuropäischer Steuerhinterzieher im Wesentlichen erledigt haben, schätzen Fachleute. Bezeichnend erscheint, dass eine der beiden Großbanken widerspenstigen Kunden nach zwei Mahnbriefen zur Jahresmitte endgültig kündigen will.

Große Chancen in der Vermögensbetreuung

Die Bankenlandschaft in der Eidgenossenschaft steht vor einem Umbruch. Das Geschäftsmodell des leicht verdienten Geldes mit Steuerhinterziehern ist Geschichte. Die Legalisierung der Schwarzgelder führt zu einem sichtbaren Abfluss an Kundenvermögen. Insbesondere die kleineren unter den rund 3000 unabhängigen Vermögensverwaltern geraten dadurch in Bedrängnis. „Eine Konsolidierung in diesem Bereich ist unvermeidlich“, urteilt Markus Fuchs, Geschäftsführer des schweizerischen Fondsverbands SFAMA. Gleichzeitig sieht er große Chancen in der anspruchsvollen Vermögensbetreuung, dem sogenannten Asset Management. Geworben wird auch bei Privatkunden für Mandate zur Vermögensverwaltung. Für kleinere Ansprüche werden Modelle wie zum Beispiel „UBS Advice“ aufgelegt, bei denen zu einem Pauschaltarif eine ständige Vermögenskontrolle erfolgt, der Kunde aber weiter die Anlageentscheidungen trifft.
Reiche, von unsicheren Regionen Europas über Nordafrika bis hin zu Diktaturen rund um die Welt, suchen weiterhin sichere Häfen für ihr Vermögen. Die Schweiz hat mit ihrem demokratischen Staatswesen, ihrer unabhängigen Justiz und einer vergleichsweise niedrigen Kriminalität auch jenseits der Steuerflucht einiges zu bieten. Hinzu komme ihre Finanz-Expertise, brüsten sich die Banken. Aber die Kosten steigen, und die Kunden drücken auf die Margen, die Zahl der Banken wird daher schrumpfen. UBS-Chef Sergio Ermotti schätzt, dass 200 der 300 Institute verschwinden werden, einzelne Beobachter erwarten eine noch höhere Zahl. Daneben müssen die Großbanken UBS und Credit Suisse ihre Kapitalbasis weiter stärken. Andere Häuser wie zum Beispiel Julius Bär versuchen, dem Margendruck durch Zukäufe entgegenzuwirken. Zugleich fordern Beobachter, dass die Akteure am Finanzplatz stärker an einem Strang ziehen.
Quelle: F.A.Z. 
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/fonds-mehr/steuerhinterziehung-der-finanzplatz-schweiz-muss-sich-neu-erfinden-12775878.html?printPagedArticle=true

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