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Mittwoch, 15. Januar 2014

Zahlungen nur ausgesetzt....Moratorium.....Zahlungsverpflichtungen leben wieder auf...

B. Ergänzende Stellungnahme zum Klagebegehren
IV. Sachverhalt
1. Die Staateninsolvenz der Beklagten und die Umschuldung
Mit Gesetz Nummer 25.561 rief die Beklagte am 12.12.2001 den nationalen Notstand
auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem
Gebiet aus, u.a. da die vorhandene Schuldenlast die Erfüllung der öffentlichen
Aufgaben akut bedrohte und der abrupte Ausfall einer Vielzahl notwendiger
Staatsfunktionen unmittelbar bevorstand. Im Zusammenhang mit dem nationa23
len Notstand wurde ein Zahlungsmoratorium auf alle Auslandsschulden der Beklagten,
die vor dem 31.12.2001 aufgenommen wurden, erlassen. Dieses Moratorium
wird aktuell durch Artikel 56 des Gesetzes Nr. 26.895 angeordnet und gilt bis zum
endgültigen Abschluss des Umstrukturierungsprozesses.
Vgl.: Gesetz Nr. 25.561 und Nr. 26.895 (in deutscher Übersetzung).
- Anlage B 23 -
Als Teil dieses Umstrukturierungsprozesses unterbreitete die Beklagte, im Gefolge
intensiver Beratungen und Gesprächen mit Investoren, in den Jahren 2005 und 2010
zwei Umtauschangebote hinsichtlich der von ihr begebenen Schuldverschreibungen.
Im Rahmen dieser Umtauschangebote wurden den Anleihegläubigern angeboten,
ihre Anleihen gegen neue Anleihen einzutauschen, und damit die Beklagte bei der
zwingend notwendigen Umstrukturierung ihrer Auslandsschulden, d.h. der Sanierung
ihrer Staatsfinanzen, zu unterstützen. Die weit überwiegende Mehrzahl der
Anleihegläubiger nahmen die Umtauschangebote an. Im Jahr 2005 stimmten 76 %
der Anleihegläubiger dem ersten Umtauschangebot der Beklagten zu. Nach dem
zweiten, identischen Umtauschangebot im Jahre 2010 erreichte die Beklagte eine
Zustimmungsquote in Höhe von insgesamt 92,4 %. Hierdurch haben sowohl argentinische
wie auch ausländische institutionelle und private Gläubiger freiwillig erhebliche
finanzielle Einbußen hingenommen. Die verbleibenden rund 7.6% der Anleihen
befinden sich in den Händen von Holdout-Gläubigern, die sich der zwingend notwendigen
Umschuldung und dem Konsens der Gläubigermehrheit verweigerten.

2. Die Verfahren gegen die Beklagte in Deutschland

Diese Minderheit von nicht kompromissbereiten Gläubigern, zu der auch der Kläger
gehört, führt seit nunmehr rund zehn Jahren eine Vielzahl von Prozessen gegen die
Beklagte vor den Frankfurter Gerichten.

Im Jahr 2006 gab das Oberlandesgericht Frankfurt am Main diesen Klagen erstmals
statt (Urteil v. 13.6.2006, Az. 8 U 107/03). Zur Begründung führte das Gericht damals
einerseits aus, dass sich die Beklagte gegenüber den Gläubigern nicht auf einen
auf Zahlungsunfähigkeit beruhenden Staatsnotstand berufen könne. Ein solcher lag
nach Auffassung des Oberlandesgerichts nämlich im Jahr 2006 nicht mehr vor. Da
ein Notstand die Zahlungspflichten eines Schuldnerstaates allenfalls suspendieren
könne, lebten die Zahlungspflichten der Beklagten nach Wegfall des Notstands wie24
der auf. Der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht bestätigten später,
dass die Fachgerichte berechtigt seien, das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen
eines Notstands zu prüfen.
Andererseits verwarf das Oberlandesgericht die Argumentation der Beklagten, das
argentinische Zahlungsmoratorium sei nach international-privatrechtlichen Grundsätzen
als sogenanntes Eingriffsgesetz oder zumindest im deutschen materiellen
Recht zu berücksichtigen. Es berief sich auf die sogenannte Schuldstatutstheorie,
die es (fälschlicherweise) als „herrschend" bezeichnete. Nach dieser Theorie können
Eingriffsgesetze ausländischer Staaten nur dann angewendet werden, wenn es
sich um solche der anwendbaren Vertragsrechtsordnung handelt. Nach Ansicht des
Gerichts könne man ausländische Rechtsnormen als „Tatsachen" berücksichtigen,
die einer Vertragserfüllung entgegenstehen könnten, wenn dies zur Anwendung der
Unmöglichkeitsvorschriften führe. Diese Auffassung blieb unbegründet und wurde
mit einem Verweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (NJW 1984, 1746) belegt,
das diese Aussage allerdings in keiner Weise stützt. Im Gegenteil, der Bundesgerichtshof
zeigte sich in dem zitierten Urteil sogar ausdrücklich offen, diese „Tatsachen"
über § 242 BGB oder die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage
zu berücksichtigen. Der Bundesgerichtshof hat über die Richtigkeit dieser Ansicht
des Oberlandesgerichts bisher nicht entschieden.
Das Oberlandesgericht argumentierte weiter, dass bei Beendigung der Notstandslage
ein Leistungshindernis ohnehin entfiele. Jede andere Betrachtung widerspreche
dem deutschen ordre public, nach dessen Grundsätzen man Geld schließlich zu haben
habe. Das Zahlungsmoratorium sei darüber hinaus nicht mit einem Insolvenzverfahren
vergleichbar, da es bei einer Staatsumschuldung an einem unabhängigen
Insolvenzverwalter fehle, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners
überprüfe. Auch hierüber hat der Bundesgerichtshof bislang nicht entschieden.
Rund ein halbes Jahr später entschied das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss
vom 08.05.2007 (2 BvM 1-5/03, 1, 2/06), dass eine allgemeine Regel des
Völkerrechts, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger
privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit
erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern, zum damaligen Zeitpunkt
nicht feststellbar gewesen sei (allerdings mit abweichendem Sondervotum).
25
S 22-25 des 42-Seiten-SS von Cleary

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