HEDGEFONDS-KLAGEFolgen einer Umschuldung
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Geierfonds sind oft die Einzigen, die auf Einhaltung der Spielregeln bestehen

Im Fall von Argentinien sah das so aus: Elliotts Tochter NML kaufte für Hunderte Millionen argentinische Anleihen kurz vor und laut Berichten auch nach der Zahlungsunfähigkeit, zu Cent-Beträgen. Dann verklagte NML Argentinien auf die Rückzahlung zu 100 Prozent. Seither tobt der Kampf zwischen Schuldnerland und Gläubigerfonds. Vergangenen Februar entschied ein Richter in New York überraschend für die Kläger. Die Anleihen enthalten eine gängige Pari-passu-Klausel, nach der Argentinien alle Anleiheinhaber gleich behandeln muss. Der Richter erklärte, Argentinien müsse demnach Altgläubiger, die auf voller Zahlung bestehen, genauso bedienen wie die Anleiheanleger, die die Umschuldung mitgemacht haben. Das hat die argentinische Regierung in eine böse Klemme gebracht: Hält sie an der Weigerung fest, die klagenden Altgläubiger zu bedienen, darf sie auch die umgeschuldeten Papiere nicht bedienen. Damit würde Argentinien zahlungsunfähig. Eine wirtschaftliche Katastrophe. Das Urteil wurde erst einmal ausgesetzt, um Argentinien Zeit zu geben, eine Lösung vorzuschlagen. Gewinnt Elliott, muss das Land rund 1,3 Milliarden Dollar an den Fonds und die anderen Kläger zahlen.
Mit einer ähnlichen Strategie konnte Elliott in Peru kräftig abkassieren. Mitte der neunziger Jahre kauften die New Yorker Schuldscheine zusammengebrochener peruanischer Banken. Nach langen Rechtsstreits zahlte das Land schließlich 58 Millionen Dollar. Elliott soll seinen Einsatz so um 400 Prozent vervielfacht haben.
Für Aktivisten, die für einen Schuldenerlass für arme Länder werben, sind solche Aktionen typisch für bestimmte Fonds. »Geierfonds saugen Mittel ab, die den Ärmsten der Welt helfen sollen«, heißt es in einem Protestaufruf von Jubilee USA, einer Organisation, die die Fonds per Gesetz stoppen will. Als abschreckendes Beispiel verweisen die Aktivisten auf Sambia. Der afrikanische Staat hatte 1979 in Rumänien Traktoren auf Kredit gekauft. Die Schuld blieb offen, bis ein Geierfonds sie 1999 erwarb und nun ein Vielfaches der ursprünglichen Summe eingeklagt hat.
Elliott hat immer wieder betont, sich nur Regierungen vorzunehmen, die eigentlich zahlen könnten, sich jedoch weigerten. Argentinien etwa hätte durch den Rohstoffboom genug in der Staatskasse, um seine rebellischen Gläubiger zu bedienen.
Für Rolf Koch ist Singer ein »genialer Mann«. Der Rentner aus Hessen versucht seit Jahren, Geld für seine Argentinienanleihen einzutreiben. Deutsche Gerichte gaben ihm Recht, eine Pfändung erwies sich jedoch als nahezu unmöglich. Koch hält nichts von der Kritik, die Fonds pressten arme Länder aus. Schließlich handle es sich um verbriefte Versprechen, die die Regierungen gemacht hätten: »Was ist denn mit den gutgläubigen Anlegern, die davon ihre Altersvorsorge bestreiten wollten?«
Auch nn ist Elliott dankbar. Der Augsburger Anwalt vertritt 150 Mandanten, die wohl größte Gruppe von deutschen Argentinien-Anlegern. Es waren Hunderte Betroffene mehr, sogar eine Interessengemeinschaft war ein paar Jahre aktiv, die meisten haben aufgegeben. Auch nn hat für seine Mandanten erfolgreich Titel vor deutschen Gerichten erstritten. Die Vollstreckung ist bisher gescheitert. Er war es, der die Pfändung der Exponate einer Dinosaurierausstellung in Rosenheim erwirkte. Die Aktion wurde aber durch das Bayerische Kultusministerium gestoppt. Ohne Geierfonds sei es schwer für normale Anleger, etwas gegen Regierungen auszurichten. »Diese Fonds haben die nötigen Mittel, solche Verfahren durchzuhalten und immer neue rechtliche Kniffe zu versuchen.« Mit Elliott als Vorbild hat nn vor zwei Wochen eine entsprechende Klage beim Landgericht Frankfurt eingereicht, in der er ebenfalls die Einhaltung der Pari-passu-Klausel fordert.
Geierfonds sind oft die Einzigen, die hartnäckig auf der Einhaltung der Spielregeln bestehen. Die meisten Staatsanleihen enthalten heutzutage aber eine Klausel, die eine Umschuldung bindend macht, wenn die Mehrheit der Gläubiger dafür stimmt. EU-Mitgliedstaaten dürfen nur noch solche Anleihen begeben. Das sollte vor allem Geierfonds ausbremsen. Setzt Elliott sich nun durch, könnten Gläubiger weit weniger bereit sein, für eine Umschuldung zu stimmen. Deshalb sei die Entscheidung in New York so wichtig, sagt Anna Gelpern, Finanzprofessorin an der American University in Washington. »Es dürfte künftig mehr Rechtsstreitigkeiten und eine größere Unsicherheit bei Staatsanleihen geben.«
http://www.zeit.de/2013/09/Argentinien-Staatspleite-2001-Umschuldung-Anleger/seite-2