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Montag, 30. Juni 2014

Herstatt: Die große Bankenpleite (Teil 1)

Herstatt: Die große Bankenpleite (Teil 1)

Auch am letzen Handelstag des 1. Börsenhalbjahres wachte der DAX nicht aus dem Sommerschlaf auf. Mit 9.830 Punkten kommt die 10.000-Punkte-Marke aber langsam wieder in Sichtweite.
Alles andere als langweilig war das Börsengeschehen vor 40 Jahren. Denn: In der vergangenen Woche jährte sich die wohl spektakulärste Bankenpleite der deutschen Nachkriegsgeschichte zum 40. Mal. Sie erfahren hier im „Schlussgong“ die Hintergründe der Pleite der Kölner Herstatt-Bank.

Die Geschichte der Herstatt-Bank

Am 2. Juni 1955 erwarb der in Köln geborene Iwan David Herstatt das unbedeutende Kölner Bankhaus Hocker & Co., das damals eine Bilanzsumme von 52 Mio. DM aufwies und nach dem Tod des vorherigen Inhabers zum Verkauf gestanden hatte.
Am 10. Dezember 1955 firmiert das Bankhaus in "I. D. Herstatt KGaA" um. Hinter der für eine Bank seltenen Rechtsform verbarg sich der Herstatt-Jugendfreund und Versicherungsunternehmer Hans Gerling, der sich mit einer Einlage von 5 Mio. DM als Kommandit-Aktionär beteiligt hatte.
Im Mai 1967 wird das neue Bankhaus in der Bankenmeile der Kölner Innenstadt eröffnet. Es gelingt der Bank schließlich, sich im Wertpapiergeschäft zu etablieren und relativ viele prominente Kölner als Kunden zu gewinnen.
Durch die stark auf Wachstum ausgerichtete Geschäftspolitik avanciert das Bankhaus von einer reinen Regionalbank zu einer überregional tätigen Privatbank. Das schnelle Wachstum war auch der Bilanzsumme anzusehen.
Diese betrug zum 31. Dezember 1959 noch 249 Mio. DM und schon Ende 1962 lag sie bei 560 Mio. DM.
Durch ihr wachsendes Auslands- und Devisengeschäft erlangte die Herstatt-Bank in den frühen 70er Jahren schließlich auch wachsende internationale Bedeutung. 1974 vertrauten bereits 52.000 Kunden der Bank ihr Geld an.

Von Devisenspekulationen und "Goldjungs"

Herstatts expansive Geschäftspolitik führte dazu, dass sowohl die Bilanzsumme, als auch die Zahl der Beschäftigten rasant wuchsen. Als dann die Gewinne aus dem klassischen Bankgeschäft schrumpften, identifizierte die Herstatt-Bank neues Gewinnpotenzial im Bereich des Devisenhandels.
Der Grund: Am 10. Mai 1971 erfolgte die Freigabe der Wechselkurse (Ende des Bretton-Woods-Systems). Das bedeutet, dass die Devisenkurse nicht wie zuvor innerhalb von engen Bandbreiten schwankten, sondern von den Zentralbanken fast vollständig der Marktentwicklung überlassen wurden.
Da das Kundengeschäft der Herstatt-Bank dafür nicht ausreichte, wurde der Devisenhandel zum überwiegenden Teil als sogenannter Eigenhandel (also auf eigene Rechnung und nicht für Kunden) betrieben.
Mit dem Beginn der Ära der schwankenden Wechselkurse wird der Eigenhandel mit Devisen zum Herzstück des Herstatt-Bankgeschäfts. Zuständig für diese Geschäfte sind bei der Herstatt-Bank die sogenannten "Goldjungs" - bestehend aus sechs erst knapp über 20 Jahre alten Devisenhändlern. Der Leiter der Abteilung ist Dany Dattel.

Die große Zockerei beginnt

Die Devisenabteilung handelt weitgehend ohne übergeordnete Risikokontrolle - ein schwerwiegender Fehler, wie sich später herausstellte.
Die Devisenhändler dürfen "nur" 10 Mio. US-Dollar pro Tag und pro Person handeln. Jedoch umgehen sie diese Begrenzung durch andere Mitarbeiter des Geldhauses, die als Strohmänner fungierten.
Da diese Mitarbeiter als Privatpersonen nicht termingeschäftsfähig waren, traf sie keine Erfüllungspflicht. Die Geschäfte fielen somit im Verlustfall letztlich auf die Bank zurück.
Wegen der damals noch neuen Computertechnik und der weltumspannenden Kommunikationsleitungen wurde die Devisenabteilung in Anlehnung an die Fernsehserie "Raumpatrouille" intern "Raumstation Orion" genannt.
Ausblick: Morgen erfahren Sie hier im "Schlussgong", was zum Zusammenbruch der Herstatt-Bank führte und welche Konsequenzen sich daraus für die Bankenlandschaft in Deutschland ergaben.

Rolf Morrien
Chefredakteur "Morrien's Schlussgong"

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