Günter Grass bringt eine provokante Idee für das Flüchtlingsproblem in Deutschland ins Spiel: Der Schriftsteller und Nobelpreisträger hält "Zwangseinquartierungen" für eine Option, wie er bei einer Veranstaltung in Hamburg sagte. Bundesbürger sollten demnach verpflichtet werden, Flüchtlinge aufzunehmen.
Bei einer Benefizgala für verfolgte Autoren (PEN) fiel die Bemerkung des 87-jährigen Günter Grass in einem Nebensatz - sie hat es aber in sich. Grass sehe bei den Deutschen eine große Bereitschaft zu helfen. Daher halte der Schriftsteller, sollte es Notfälle bei der Unterbringung von Flüchtlingen geben, Zwangseinquartierungen für eine Option. Grass erinnerte daran, dass dies nach dem Zweiten Weltkrieg auch gemacht wurde - unter Murren teilweise, aber die 14 Millionen Deutschen und Deutschstämmigen aus dem Osten seien so wieder schnell auf die Beine gekommen. Ohne diese Menschen, wie später auch die Gastarbeiter, hätte es das deutsche Wohlstandswunder nicht gegeben, erklärte der Schriftsteller.
In harschen Worten prangerte die Autorenvereinigung PEN das Versagen des Westens an. Der habe nach der friedlichen Revolution 1989 in Osteuropa samt Mauerfall in der DDR Hoffnungen auf ein Ende des Blockdenkens und eine Überwindung des Nord-Süd-Konflikts, des Gegensatzes von Arm und Reich, enttäuscht.
Den Kursschwenk der PEN zu offener politischer Einmischung begründeten die beiden Ehrenpräsidenten Grass und Christoph Hein sowie der amtierende Präsident Josef Haslinger mit dem "eklatanten Versagen der Politik" nicht nur bei der Flüchtlings- und Asylpolitik.
Hintergrund der Debatte am Mittwochabend ist der derzeitige Flüchtlingsansturm in Europa. In München traten zuletzt Flüchtlinge in den Hungerstreik. Die rund 30 Personen kommen aus verschiedenen arabischen und afrikanischen Ländern und protestierten seit vergangenem Samstag im Münchner Zentrum am Sendlinger Tor vornehmlich gegen die Lebensbedingungen in den Flüchtlingsunterkünften. Zudem fordern sie die Anerkennung als politisch Verfolgte und damit ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland sowie eine Arbeitserlaubnis. (dpa/tfr)
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