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Donnerstag, 26. Februar 2015

Die Betreuung ausländischer Vermögen in Höhe von gut 3100 Mrd. Fr. aus dem Heimmarkt Schweiz heraus generiert gemäss Angaben der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) Erträge von rund 19 Mrd. Fr und verhilft rund 28 000 Mitarbeitern zu einer überdurchschnittlich gut bezahlten Arbeitsstelle. Damit steht die Paradedisziplin für gut die Hälfte der Wertschöpfung und knapp ein Fünftel der Beschäftigten in der Schweizer Bankenwelt.

Hürdenreicher Marktzugang

Schweizer Banken leiden an der EU

Der Weg in die EU-Länder bleibt für die Schweizer Banken beschwerlich.
Der Weg in die EU-Länder bleibt für die Schweizer Banken beschwerlich. (Bild: Adrian Baer / NZZ)
Die Schweizer Banken sind im Vermögensverwaltungsgeschäft auf einen möglichst diskriminierungsfreien Marktzugang zu den EU-Ländern angewiesen. Vorderhand lässt sich dieser am ehesten über binationale Freistellungsvereinbarungen erreichen.
Die Schweizer Banken sind, allen Verwerfungen und Umbrüchen zum Trotz, mit einem Weltmarktanteil von rund einem Viertel immer noch die führenden Akteure im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft. Die Betreuung ausländischer Vermögen in Höhe von gut 3100 Mrd. Fr. aus dem Heimmarkt Schweiz heraus generiert gemäss Angaben der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) Erträge von rund 19 Mrd. Fr und verhilft rund 28 000 Mitarbeitern zu einer überdurchschnittlich gut bezahlten Arbeitsstelle. Damit steht die Paradedisziplin für gut die Hälfte der Wertschöpfung und knapp ein Fünftel der Beschäftigten in der Schweizer Bankenwelt.

Binationale Efforts

Diese Marktstellung lässt sich nur verteidigen, wenn der Zugang zu den gewichtigsten Zielmärkten offen bleibt. Dazu zählen etwa die Nachbarländer und EU-Mitglieder Deutschland, Frankreich und Italien. Zwar haben die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse (CS) in den Jahren vor der jüngsten Finanzkrise viele Millionen in den Aufbau von lokalen Tochtergesellschaften und Niederlassungen investiert. Aber die Strategie, den Kunden in ihre Domizilländer zu folgen, dort Stützpunkte aufzubauen und Produkte und Dienstleistungen vor Ort («onshore») anzubieten, hat nicht den erhofften Erfolg gezeitigt.
Denn zum einen werden Tochtergesellschaften von Schweizer Banken vor Ort als lokale Institute wahrgenommen, die den lokalen Gesetzen unterstellt sind und von lokalen Regulatoren beaufsichtigt werden – und sich insofern kaum von den einheimischen Konkurrenten abheben; die Zugkraft des Schweizer Standorts kommt nicht zum Tragen. Zum andern geht der Aufbau und Betrieb ausländischer Tochtergesellschaften ins dicke Tuch.
Die beiden Grossbanken UBS und CS sind in den vergangenen Jahren deshalb dazu übergegangen, ihre europäischen Aktivitäten zu verschlanken und zu bündeln. Die UBS will künftig das gesamte in den EU-Ländern betriebene Vermögensverwaltungsgeschäft in einer einzigen Bank mit Standort Frankfurt oder Luxemburg bündeln. Diese zentrale Einheit könnte mit nur einer Banklizenz über ein Netz von Niederlassungen den gesamten EU-Raum abdecken. Ist der Aufbau von Onshore-Infrastrukturen im Ausland für Grossbanken äusserst anspruchsvoll und ressourcenintensiv, kommt er für kleine Institute mit beschränkter finanzieller Potenz erst recht nicht infrage. Für sie ist der freie Zugang zu ausländischen Märkten von existenzieller Bedeutung.
Vor diesem Hintergrund befürwortet die SBVg in der kurzen Frist die Aufnahme beziehungsweise die Fortführung binationaler Verhandlungen mit bedeutenden Ländern in der EU und in Wachstumsregionen. Ziel ist es, den Schweizer Banken einen möglichst freien Zugang zu gewichtigen Märkten zu sichern. Am weitesten gediehen sind diese Gespräche mit Deutschland. Schweizer Banken können bei der deutschen Aufsichtsbehörde Bafin eine sogenannte Freistellung erwirken, die ihnen die Betreuung deutscher Kunden von der Schweiz aus ermöglicht. Bedingung dafür ist, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen der Finma an das Vermögensverwaltungsgeschäft von der Bafin als gleichwertig angesehen werden, namentlich in den Bereichen der Geldwäschereibekämpfung und des Konsumentenschutzes.
Ein gewichtiger Nachteil bleibt bestehen: Freistellungsfähig sind Dienstleistungen für Privatkunden nur dann, wenn sie über die Vermittlung einer lokalen Partnerbank angebahnt werden. Erst danach kann ein Schweizer Institut in direkten Kontakt zu einem in Deutschland domizilierten Kunden treten. Derzeit sind Bestrebungen zwischen den beiden Ländern im Gang, dieses Freistellungsverfahren derart zu vereinfachen, dass auch die Anbahnung von der Schweiz aus möglich ist.

Vorteilhafte Freistellung

Über eine solche Freistellung verfügen neben den beiden global engagierten Grossbanken UBS und CS auch Institute wie Julius Bär oder Vontobel. Selbst die St. Galler Kantonalbank (SGKB), die in München mit einer als Bank lizenzierten Tochtergesellschaft vertreten ist, hat eine Freistellung erwirkt. Die doppelt abgestützte Präsenz in Deutschland – einerseits über einen lokalen Stützpunkt (onshore) und andererseits über eine Freistellung (offshore) – birgt etliche Vorteile. Zum einen kann beispielsweise die SGKB den Erstkontakt zu einem deutschen Kunden, der sein Geld in der Schweiz verwalten lassen will, über ihre lokale Tochterbank anbahnen, ohne auf eine Drittbank angewiesen zu sein. Zum andern wird es möglich, Kunden kombinierte Lösungen anzubieten. Diese können ihr Vermögen ganz oder teilweise vor Ort in Deutschland oder grenzüberschreitend aus der Schweiz heraus verwalten lassen, ohne die Bank wechseln zu müssen.
Zu solchen Lösungen haben in erster Linie sehr wohlhabende Kunden Zugang, denen viel daran liegt, ihr Geld in der Schweiz zu wissen, und die auch bereit sind, dafür einen Preis zu zahlen. Finanziell weniger gut dotierte Personen werden dazu animiert, ihr gesamtes Geld vor Ort betreuen zu lassen, weil das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag nicht mehr stimmt. Oder anders ausgedrückt: Das Offshore-Geschäft wird sich zusehends auf sehr betuchte Kunden ausrichten, die weniger begüterte «Masse» wird auf lokale Angebote zugreifen müssen.
In der Branche ist man sich darüber einig, dass die deutsche Lösung in Sachen Marktzugang dem derzeit erreichbaren Optimum gleichkommt. Schon deshalb sähen es Bankenvertreter gerne, wenn sich auch mit anderen Ländern in der EU ein Freistellungsregime nach deutschem Vorbild umsetzen liesse. In der langen Frist, auch das ist unbestritten, böte ein Finanzdienstleistungsabkommen mit der EU womöglich den ersehnten diskriminierungsfreien Zugang zu den EU-Ländern. Allerdings ist eine solche Patentlösung in weiter Ferne, denn nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative vor Jahresfrist fehlt es der EU-Seite an der nötigen Verhandlungsbereitschaft.

Ein dritter Hebel

Nicht zuletzt aus diesem Grund macht sich die SBVg als Branchenverband dafür stark, in ausgewählten Bereichen eine Regulierung umzusetzen, die gleichwertig («äquivalent») mit den EU-Regeln ist. Dabei geht es nicht darum, gleiche Auflagen und Vorschriften, sondern Regelungen mit gleicher Wirkung zu implementieren. In einzelnen Teilgebieten ist eine derartige Harmonisierung gelungen, und die EU hat die Gleichwertigkeit anerkannt (vgl. nebenstehenden Artikel). Äquivalente Regelungen sind neben den binationalen Freistellungsvereinbarungen und dem Finanzdienstleistungsabkommen in spe der dritte Hebel, um Schweizer Banken den EU-Marktzutritt zu erleichtern.

Luxemburg – ein Vorbild in der konsequenten Vermarktung

imr. ⋅ Kein anderer Finanzplatz in Europa geht bei der Vermarktung seiner Dienstleistungen wahrscheinlich so konsequent vor wie Luxemburg. Dabei kommen sich das Grossherzogtum und die Schweiz im Vermögensverwaltungsgeschäft nicht ins Gehege, sondern ergänzen sich vielmehr. Luxemburg konzentriert sich traditionell auf Administration und Produktion von Fonds, also beispielsweise die Dokumentation oder die Berechnung der Performance. Noch gibt es zwar hiesige Finanzplatzvertreter, die davon träumen, zumindest einen Teil dieses Geschäfts wieder in die Schweiz zu holen. Doch dieser Zug ist abgefahren. Luxemburg bildet in der Fondsproduktion einen Cluster mit unzähligen Spezialisten und ist deshalb so gut wie unangreifbar. Die Schweiz sollte sich deshalb auf das Portfolio-Management konzentrieren und versuchen, hier einen internationalen Ruf aufzubauen, sagt Yvonne Lenoir von der Firma BRP Bizzozero & Partners, die Asset-Manager im internationalen Geschäft berät. Luxemburg hat in diesem Bereich wenig Ambitionen, denn den Exponenten des Landes ist bewusst, dass es ihnen kaum gelingen wird, hochkarätige Fondsmanager aus London, Zürich oder Frankfurt ins Land zu locken. Dieses ist für Spezialisten schlicht zu klein. Luxemburg habe keine Mühe damit, wenn das Portfolio-Management eines Fonds an einem anderen Ort passiere, beispielsweise in Zürich, sagt Lenoir.
In der Fondsproduktion bildet Luxemburg dagegen eine weltweit anerkannte Marke. Die Finanzaufsicht CSSF gilt als sehr vertrauenswürdig, und deshalb haben Anlagevehikel, die von ihr unter EU-Recht (als Ucits oder AIF) zum Vertrieb zugelassen werden, auch ausserhalb des Binnenmarkts gute Chancen auf einen raschen Marktzugang. Luxemburger Fonds sind denn auch in diversen Ländern Asiens und Lateinamerikas weit verbreitet. Zu diesem Erfolg hat ebenfalls die geschickte Vermarktung des einheimischen Standorts durch den Fondsverband Alfi beigetragen, der beispielsweise in Asien grosse Anstrengungen unternimmt, die Luxemburger Fonds in der Finanzbranche bekannt zu machen. Zu den Nutzniessern und grössten Kunden des Finanzplatzes Luxemburg gehören auch hiesige Asset-Manager, welche die Fonds von der Schweiz aus verwalten.

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