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Freitag, 28. August 2015

Kärnten kämpft fieberhaft gegen die drohende Pleite

27.08.2015, 07:26

Kärnten kämpft fieberhaft gegen die drohende Pleite

Landeshauptmann Peter Kaiser: Die Heta gehört dem Bund und eine Lösung muss im gemeinsamen Interesse sein
Landeshauptmann Peter Kaiser: Die Heta gehört dem Bund und eine Lösung muss im gemeinsamen Interesse sein / Bild: ROLAND SCHLAGER / APA

Wegen elf Milliarden € Landeshaftungen für die Hypo-Abwicklungsgesellschaft Heta steht Kärnten am Rand der Insolvenz. Landeshauptmann Peter Kaiser schildert, wie er die verhindern will.

WirtschaftsBlatt: Herr Landeshauptmann, Sie haben jüngst gesagt, bis Ende Mai 2016 muss in der Frage der Kärntner Landeshaftungen im Rahmen der Heta-Abwicklung eine Lösung mit dem Bund her. Warum?
Peter Kaiser: Bis 31. Mai 2016 gilt das Heta-Moratorium entsprechend dem Bankenabwicklungsgesetz Basag. Ausgangssituation ist, dass der Bund Eigentümer der Heta (Hypo Alpe Adria-Abwicklungsgesellschaft, Anm.) ist und die Haftungen beim Land Kärnten liegen. Die Gläubiger werden sich daher wegen der Ausfallsbürgschaften an das Land wenden. Und es ist klar, dass die Haftungen von fast elf Milliarden € für Kärnten angesichts des finanziellen Status und des Budgetvolumens nicht zu bewältigen sind. Deshalb braucht es eine tragfähige Einigung mit dem Bund - das wissen alle. Das Renommee Österreichs insgesamt und seine Bonität werden von einer Lösung der Causa Heta mitbeeinflusst.
Wie soll das gelingen?
Im Hintergrund wird auf verschiedenen Ebenen in Arbeitsgruppen nach unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten gesucht. Wir haben dafür eine Reihe von Rechts-, Finanz- und Bankenexperten beigezogen; die Kärntner Landesholding wurde dem Unternehmensreorganisationsgesetz unterworfen und damit sichergestellt, dass dadurch strukturierte Gespräche mit potenziellen Haftungsgläubigern möglich sind. Seit rund eineinhalb Monaten sprechen wir daher auch direkt mit Gläubigern bzw. deren Anwälten.
Wie viele Gläubiger sind es?
Das kann man noch nicht genau sagen; vom Volumen geht es dabei um deutlich mehr als die Hälfte der genannten Summen.
Welche Quote ist für Sie vorstellbar?
Ich halte es für verfrüht und falsch, von einer bestimmten Quote zu sprechen. Es wird ja auf verschiedenen Ebenen gerade erst eine Vermögensaufstellung der vorhandenen Werte durchgeführt. Zudem gibt es auch verschiedene Lösungsansätze - etwa die Überlegung eines Kärntner Landesgesetzes mit einer Haftungsbeschränkung, bei dem wir sagen, bis zu diesem Betrag können wir eine Quote anbieten und darüber nicht. Wichtig ist nur, dass alle Gläubiger gleich behandelt werden. Zuerst wird man schauen, was aus der Heta, die im Mittelpunkt steht, zu erlösen ist und dann an das Land herantreten.
Eine Möglichkeit ist auch, dass man das zusammenfasst und danach - spätestens bis Ablauf des Moratoriums - einen Schnitt berechnet. In die Verhandlungen spielen zudem die Interessen diverser Hedgefonds herein. Eine Möglichkeit wäre auch, dass sich das Land Kärnten in den Verhandlungen mit den Gläubigern darauf einigt, den Haftungstitel um einen Betrag X abzulösen.
Wie sieht es mit dem Vermögen Kärntens tatsächlich aus?
Das ist überschaubar, wenn man von Werten, die mit dem Land direkt verbunden sind, spricht. Der 520 Millionen € schwere Zukunftsfonds ist natürlich Teil davon; die Kelag-Anteile stehen nicht zur Disposition. Dann gibt es noch einiges an Immobilienvermögen, wie die Seenliegenschaften, die erst vor Kurzem wegen anderer Skandalisierungen in den Schlagzeilen waren. Ich will aber nicht über Einzelteile reden, sondern über ein vernünftiges Gesamtpaket aus einem Guss. Es handelt sich jedenfalls um eine sehr komplexe Angelegenheit, weil sich innerhalb des URG (Unternehmensreorganisationsgesetz, Anm.) auch die Frage stellt, inwieweit Vermögenswerte verwertet werden können.
Ist eine Insolvenz Kärntens auszuschließen?
Es müssen sich einmal alle klar werden, was eine Insolvenz-die ich nicht in den Mund nehmen will-bedeuten würde. Dann würde jeder, vom Bund abwärts bis zu kleinen Unternehmen, bis zum Papierhändler oder zur Telefonfirma seine Ansprüche gegenüber dem Land geltend machen. Es käme zu einer wesentlich größeren Zahl Betroffener und auch zu höheren Summen. Das ist für mich kein anzustrebendes Ziel. Ein Problem ist auch, dass es in Österreich anders als in Deutschland, wo die Insolvenz eines Bundeslandes in der Verfassung ausgeschlossen wird, kein Länderinsolvenzgesetz gibt. Laut Meinung von Experten würde eine Insolvenz enorme Unwägbarkeiten mit sich bringen.
Hoheitliche Aufgaben z. B. im Bereich der Sicherheit oder Gesundheit müsste aber der Bund weiterführen.
Auch darüber wird diskutiert, welche Aufgaben der Daseinsvorsorge in so einem theoretischen Fall von wem weitergeführt werden müssten. Gewisse Bereiche können aber niemals einer Insolvenz zugeführt werden. Deshalb ist eine Insolvenz auch für Gläubiger nicht attraktiv- und politisch schon gar nicht.
Man hört, die Reorganisation der Kärntner Landesholding gestaltet sich schwierig.
Wir haben schon früher erklärt, die Holding straffen zu wollen, ein Lean-Management einzuführen, Doppelgleisigkeiten zu beseitigen und den Verwaltungsablauf zu optimieren. Auch da sind Basag und Heta-Moratorium zu berücksichtigen-und natürlich kommt es dabei immer wieder zu Interessenkonflikten. Etwa bei Dienstverträgen, die noch aus der Ära Haider stammen? Ja, und das sind nicht so wenige.
Das Land hat ja eine Klage gegen die Haider-Erben eingebracht. Wie ist da der Stand?
Die Landesholding war verpflichtet, die Klage einzubringen, um das Eigentum des Landes zu schützen. Wenn das von jemandem fahrlässig gefährdet wurde, ist man veranlasst zu trachten, sich an den dieser Person zuzuschreibenden Erben schadlos zu halten. Inhaltlich geht es vorerst um die Forderungen der Landesholding gegen Birnbacher und Mitverurteilte aufgrund des zulasten der Landesholding überhöhten 6-Millionen-€-Honorars für ein Gutachten zum Hypo-Verkauf. Es wagt derzeit aber noch niemand eine Beurteilung des möglichen Verfahrensausgangs. Der Streitwert wurde mit 600.000 € relativ gering angesetzt, weil es sich auch um eine Präzedenzfallklage handelt. Wir warten das Ergebnis einmal ab und setzen dann gegebenenfalls weitere Schritte.
Wegen des Rating-Downgradings muss Kärnten höhere Zinsen bei der Finanzierung zahlen. Wie viel machen die aus?
Bei der Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA, Anm.) machen die Aufschlagsquoten aufgrund des zweimaligen und aus meiner Sicht unverständlichen Downgradings einen einstelligen Millionen-€-Betrag im unteren Bereich pro Jahr aus. Mit der ÖBFA haben wir einen Rahmenvertrag von bis zu 343 Millionen € jährlich, versuchen diesen aber nicht zur Gänze auszuschöpfen.
Die Gespräche zu den Finanzierungen sind ja nicht gerade amikal verlaufen. Kärnten wurde vom Bund gehörig unter Druck gesetzt...
Ich habe das damals auch klar zum Ausdruck gebracht. Es hat schließlich ein klärendes Gespräch mit Finanzminister Schelling auf Augenhöhe gegeben. In so einer schwierigen Situation ist bei derartigen Gesprächen sehr viel Behutsamkeit und Vorsicht vor Drohgebärden und starken Aussagen nötig. Die Situation Kärntens hat meine Regierung nicht verschuldet. Wir haben es ja mit einer Entwicklung, die mehr als zehn Jahre gegangen ist, zu tun. Der Hypo-Untersuchungs-Ausschuss hat gezeigt, welche ungeheuerlichen und kriminellen Vorgänge damals passiert sind und wie viel damals an den Kontrollinstanzen vorbeigegangen ist bzw. wie diese auch versagt haben.
Die Haftungen, die jetzt für Kärnten und ganz Österreich ein Riesenproblem sind, wurden in der Ära Haider aber von den anderen Parteien inklusive SPÖ mitgetragen.
Der Haftungsbeschränkungsbeschluss, den Kärnten - so wie fünf andere Bundesländer auch - gefasst hat, wurde explizit vom damaligen Justizminister Böhmdorfer, vom damaligen Finanzminister Grasser und vom damaligen Bundeskanzler Schüssel gutgeheißen und sie haben ihm vorzeitig zugestimmt. Faktum ist auch, dass durch die lange Zeit des Nichtentscheidens nach der Notverstaatlichung der Hypo sich die Gesamtsituation verschlechtert hat. Mir hat der damalige EU-Kommissar, Joaquin Almunia, deutlich vermittelt, dass er nach einem Gespräch mit mir mehr Informationen bekommen hat als jemals von der damaligen Finanzministerin (ÖVP-Ministerin Maria Fekter, Anm.) Jetzt ist die Situation, wie sie ist. Die Heta gehört dem Bund und eine Lösung muss im gemeinsamen Interesse sein. Wir sind ein Land, eine Republik und neun Bundesländer.
Die Heta-Abwicklung bzw. das Basag spielen ja sogar bei der geplanten Privatisierung des unter Druck stehenden Klagenfurter Flughafens, bei dem das Land beteiligt ist, eine Rolle.
Da muss beachtet werden, dass es beim angedachten PPP-Modell mit Privaten (Haselsteiner, Glock, IV-Präsident Kulterer, Anm.) zu keiner einseitigen Gläubigerbevorzugung kommt. Die rechtliche Prüfung dazu ist derzeit im Laufen, parallel dazu aber auch noch das Beihilfeverfahren in Brüssel. Ziel ist es, die Sparvorhaben des Landes, die infrastrukturellen Notwendigkeiten und die Interessen jener, die sich beteiligen wollen, miteinander zu verknüpfen und ein positives Modell zu schaffen. Zu sagen, wir führen den Flughafen Klagenfurt nicht weiter, wäre jedenfalls ein falsches und fatales Signal. Wir sind optimistisch, dass wir die Krise-auch wenn es hart wird-überstehen, deshalb brauchen wir, symbolisch gesprochen, eine gute Rollbahn, um wieder durchzustarten.
Das Interview führte Günter Fritz

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