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Montag, 30. November 2015

Milliardenminus für Steuerzahler: "Der größte Bankraub in Griechenlands Geschichte"

Milliardenminus für Steuerzahler: "Der größte Bankraub in Griechenlands Geschichte"

Von , Thessaloniki
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Schlange vor der National Bank of Greece (im Juli 2015): Alles auf den SteuerzahlerZur Großansicht
DPA
Schlange vor der National Bank of Greece (im Juli 2015): Alles auf den Steuerzahler
Bankenrettung absurd: Griechenland hat private Investoren für seine siechenden Finanzinstitute gefunden. Doch die ausländischen Fonds bekommen die Aktien zum Schleuderpreis. Für die griechischen Steuerzahler bleibt ein gigantisches Minusgeschäft.
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Es klang wie ein kleines Wunder: Griechenlands vier größte Banken brauchen weniger staatliche Hilfe für ihre Rekapitalisierung als gedacht. Statt bis zu 25 Milliarden, wie noch im Sommer geschätzt, sollen nun 5,7 Milliarden Euro öffentlicher Gelder reichen. Fast zehn Milliarden Europumpen dagegen private Investoren in die Institute.
Doch das Wunder scheint zu schön, um wahr zu sein. Wie fast immer in der Griechenlandkrise hat die Sache einen Haken - und zwar einen gewaltigen: Denn am Ende haben griechische Steuerzahler mal wieder ein gigantisches Verlustgeschäft gemacht. Und die privaten Investoren haben große Bankanteile zum Schleuderpreis bekommen.
Die Vorgeschichte dieses Bankraubs beginnt im Jahr 2013: Griechenland musste sich damals 25 Milliarden Euro leihen und steckte das Geld über seinen Bankenrettungsfonds HFSF in seine vier größten Kreditinstitute. Die waren gerade ziemlich ins Straucheln geraten, weil sie nach demSchuldenschnitt auf griechische Staatsanleihen herbe Verluste erlitten hatten.
Also sprang der Staat als Retter für die Banken ein. Im Gegenzug bekam der griechische Rettungsfonds HFSF Mehrheitsbeteiligungen an der National Bank of Greece, der Piraeus Bank und der Alpha Bank. Bei der Eurobank wurde der Rettungsfonds immerhin zum Großaktionär.
Allerdings dauerte es nicht lange und die Banken meldeten wieder Löcher in der Bilanz. Im Oktober 2015 bezifferte die Europäische Zentralbank (EZB) die Kapitallücke der vier großen griechischen Institute auf bis zu 14,4 Milliarden Euro - und mahnte sie, die Lücke schnellstens zu stopfen.
Eigentlich war klar, woher das Geld dazu kommen sollte: Die Europartner hatten in dem im Juli festgezurrten dritten Hilfspaket für Griechenland 25 Milliarden Euro für die Bankenrekapitalisierung reserviert. Nun aber wurden die Banken aufgefordert, alle Optionen auszuschöpfen, um private Kapitalgeber zu gewinnen, bevor sie die 25 Milliarden anzapfen. Das Ziel: Die Steuerzahler - egal ob griechische oder europäische - sollten möglichst wenig zur Rettung der Banken beitragen.
Die Regierung hat Eile - ab 2016 müssen die Sparer bezahlen
Allerdings stand die ganze Aktion unter enormem Zeitdruck: Bis Ende des Jahres muss die Rekapitalisierung abgeschlossen sein, sonst geht es den griechischen Sparern ans Eingemachte. Denn ab 2016 gilt in der EU die Regel, dass erst Anleger mit Guthaben über 100.000 Euro zur Kasse gebeten werden, bevor die Banken öffentliches Geld anzapfen dürfen. Es war also Eile angesagt.
So geriet Griechenland in die Zwickmühle: Wenn die Regierung die Sparer schützen wollte, musste sie privaten Investoren aus aller Welt das Geschäft mit der Bankenrettung besonders schnell schmackhaft machen. Und das geht am einfachsten mit niedrigen Preisen. Die Interessenten konnten die Preise sogar selbst festlegen. Im sogenannten Bookbuilding-Verfahren durften sie angeben, wie viele Anteilsscheine sie möchten und welchen Preis sie zu zahlen bereit wären.
Die dabei ermittelten Preise waren deprimierend. Bei der National Bank of Greece zum Beispiel hatte der Rettungsfonds HFSF pro Anteilsschein 4,29 Euro bezahlt, als er 2013 sein Aktienpaket übernahm. Bei der jetzigen Kapitalerhöhung zahlen die neuen Investoren zwei Cent. Ähnlich das Bild bei der Piraeus Bank: Dort gab der HFSF im Jahr 2013 1,70 Euro pro Aktie aus, Privatinvestoren bekommen sie nun für 0,3 Cent. Bei der Alpha Bank ist es nicht besser. Der Rettungsfonds zahlte 44 Cent pro Aktie, die Investoren nun 4 Cent. Bei der Eurobank waren es 1,54 Euro für den HFSF, für private Geldgeber ist es ein Cent pro Aktie.
Für die Neueinsteiger, dem Vernehmen nach größtenteils ausländische Investmentgesellschaften, sind die Preise ein Schnäppchen. Für die bisherigen Investoren ist der Wertverlust ein Desaster, das vor allem die griechischen Steuerzahler trifft, die über den Rettungsfonds an den Banken beteiligt sind.
Denn mit dem Einstieg der neuen Investoren und der Ausgabe neuer Aktien verlieren die Anteile, die der Rettungsfonds als Alteigentümer hält, deutlich an Wert. Am Ende wird der Anteil des HFSF an den vier Banken von bisher insgesamt 85,5 Prozent auf 26,5 Prozent sinken. In den Büchern des Fonds dürften die Anteile dann mit 4,6 Milliarden Euro stehen - ein Wertverlust von 20,4 Milliarden Euro binnen zwei Jahren.Ein griechischer Banker spricht vom "größten Bankraub in Griechenlands jüngerer Geschichte".
Zwölf mal so viel wie die Rentenkürzungen
Um zu verdeutlichen, welche Dimension dieser Wertverlust hat, eignen sich ein paar Vergleiche: Die 20 Milliarden stehen für neun Prozent der griechischen Wirtschaftsleistung. Oder sie entsprechen dem Zwölffachen dessen, was Griechenland 2015 und 2016 durch Rentenkürzungen einsparen will. "Einen solchen Wertverlust in so einer kurzen Zeit hinzubekommen, muss ein neuer Weltrekord sein", sagt ein Banker, der bei einem der betroffenen Institute arbeitet.
Die Regierung in Athen feiert die teure Rettungsaktion dennoch als Erfolg. Schließlich seien die Einlagen der Sparer geschützt und die Banken stabilisiert worden. Und dafür habe man weniger Staatsgeld gebraucht als ursprünglich gedacht.
Bei den Banken selbst erkennen zumindest einige das Dilemma der Regierung an. "Sie hatte die Wahl, die bisherigen Eigentümer abzuzocken oder das ganze System kollabieren zu lassen, wenn die Banken kein privates Geld bekommen hätten", sagt ein Banker. Es sei auch so schwer genug gewesen, neue Investoren zu gewinnen - selbst zu den Schleuderpreisen.
Und doch ist sich die Branche weitgehend einig, dass die Syriza-Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras sich selbst in das Dilemma manövriert habe: Durch den Konfrontationskurs, den die Regierung gegenüber den internationalen Geldgebern gefahren habe, habe sie die Banken erst in die Notlage gebracht.
Tatsächlich war 2015 ein schlimmes Jahr für Griechenlands Banken: Aus Angst vor einem möglichen Grexit - also dem Ausscheiden des Landes aus der Eurozone - zogen die Sparer mehr als 43 Milliarden Euro von ihren Konten ab, die Wirtschaft schrumpfte, statt zu wachsen, und der Anteil der faulen Kredite stieg auf 40 Prozent. Da scheint es kaum verwunderlich, dass griechische Bankaktien in den vergangenen zwölf Monaten gut 94 Prozent an Wert verloren haben.
Entsprechend hart sind die Reaktionen. "Wenn Syriza nicht solch eine desaströse Politik gemacht hätte, wären die Banken und die Wirtschaft längst wieder auf dem Weg zur Stabilität, es würden keinen neuen Gelder benötigt und der HFSF könnte sogar noch Gewinne auf seine Anteile einstreichen", sagt ein Banker. Auch aus der Opposition kommt heftige Kritik. Die konservative Nea Dimokratia (ND) verlangt eine umgehende Untersuchung. Die "unverantwortliche Politik" der Regierung habe zu einer Denationalisierung der Banken geführt, schimpft der führende ND-Politiker Nikos Dendias.
Immerhin, so glaubt man in Athen, sollte dies die letzte Geldspritze für die Banken gewesen sein. Doch auch diese Hoffnung könnte am Ende trügen: Die Rating-Agentur Standard & Poor's schätzt, dass die jetzt bereitgestellten 14,4 Milliarden Euro nicht reichen werden, um die Verluste aufzufangen, die die Banken in den kommenden ein bis eineinhalb Jahren einfahren werden. Dann könnten also wieder neue Milliarden für die griechischen Finanzinstitute nötig sein. Es wäre das vierte Mal.

Zusammengefasst: Griechenlands Banken sind vorerst gerettet. Sie haben sich frisches Kapital besorgt, das zum großen Teil von privaten Investoren kommt. Dadurch sinkt der Anteil, den der staatliche griechische Rettungsfonds an den Banken hält. Doch der griechische Staat hat dabei ein denkbar schlechtes Geschäft gemacht. Er verliert gut 20 Milliarden Euro.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-bankenrettung-kostet-steuerzahler-milliarden-a-1064768.html

1 Kommentar:

  1. Finanzieren und retten bis in alle Ewigkeit?! Ohne EZB und Rettungschirme wären diese Banken wohl längst Pleite.

    Jetzt sollen deutsche Sparer auch noch die Einlagen bei griechischen Banken mit schützen. Sobald die EZB den Geldhahn zudreht ist dann die gemeinsame Einlagensicherung im Eimer. So geht das nicht weiter!

    Recht und Verträge werden am laufenden Band missachtet und gerne vergessen wenn es um deutsche Sparer und Anleger geht. Zwischen Griechenland und Deutschland gibt es sogar eine staatliche "Einlagensicherung", die rechtlich immer noch Bestand hat. Von der Politik ignoriert und vergessen! Einfach mal lesen. Schuldenschnitte und Enteignungen von Bürgern hat man bereits 1961 gegenseitig ausgeschlossen, enteignet wurde trotzdem: http://tinyurl.com/paqft8l.


    Griechenland-Anleihen: Betroffene sollten handeln

    Seit Mitte Juni 2015 ist klar: Deutsche Privatanleger, die 2012 ihre griechischen Staatsanleihen in Papiere mit deutlich schlechteren Konditionen umtauschen mussten, können vor deutschen Gerichten gegen die Athener Regierung wegen des Zwangsumtauschs klagen. Das hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Verfahren entschieden, dessen Gegenstand unter anderem zwei von der DSW begleitete Klagen waren.

    „Klar ist aber auch: Ende 2015 verjährt ein Großteil der möglichen Schadensersatzansprüche. Für Anleger, die bis jetzt noch nicht aktiv geworden sind, wird die Zeit langsam knapp“, sagt DSW-Geschäftsführer Thomas Hechtfischer. Die Schutzvereinigung hatte bereits kurz nach dem Zwangsumtausch eine „Arbeitsgemeinschaft Griechenland Anleihen“ (AGA) ins Leben gerufen, um betroffene Anleger zu unterstützen. „Bei der AGA ging es zunächst um Informationen für geschädigte Anleger. Aber natürlich haben wir auch aktiv die Klagemöglichkeiten geprüft“, erläutert Hechtfischer. Jetzt bleibt noch ein knapper Monat, um rechtliche Schritte einzuleiten. „Für deutsche Staatsbürger haben wir immer den Klageweg vor deutschen Gerichten favorisiert, der einen direkten Zahlungsanspruch gegen Griechenland zum Inhalt hat. Die EuGH-Entscheidung hat diese Tür geöffnet. Nun muss in den eigentlichen Verfahren geklärt werden, ob der ‚Greek-Bondholder-Act‘, also das der Enteignung zugrunde liegende Gesetz, rechtswidrig war – wovon wir nach wie vor ausgehen“, so Hechtfischer.

    Betroffene Anleger können sich auch jetzt noch unter der Mailadresse dsw@dsw-info.de bei der AGA registrieren lassen und sich den dort gebildeten Klagegemeinschaften anschließen. „Das Vehikel sogenannter Klagegemeinschaften haben wir bewusst gewählt, um das Kostenrisiko möglichst klein zu halten“, erklärt Hechtfischer. „Inzwischen sind bereits vor 58 verschiedenen Amts- und Landgerichten entsprechende Verfahren anhängig“, so der Anlegerschützer weiter.

    DSW – Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.
    www.dsw-info.de

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