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Montag, 21. März 2016

Berufsrecht | Mittelverwendungskontrolleur haftet Kapitalanlegern (OLG)

Ein Mittelverwendungskontrolleur haftet auf Schadensersatz wegen Zeichnung einer Fondsbeteiligung, wenn er den Anleger nicht auf erhebliche regelwidrige Auffälligkeiten und prospektwidrige Umstände hingewiesen hat. Das hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die als Mittelverwendungskontrolleur tätig war, verurteilt, den Schaden zu ersetzen, der den Anlegern durch die Zeichnung der Anlagen entstanden war (OLG Koblenz, Urteile v. 15.1.2016 und v. 19.2.2016 - u.a. 8 U 1265/14; 1266/14; 8 U 1267/14; 8 U 1268/14).
Hintergrund: In den den Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen hatten sich hunderte von Anlegern aus ganz Deutschland an geschlossenen Immobilienfonds beteiligt, die Gewinne durch An- und Verkauf von Immobilien in den Vereinigten Arabischen Emiraten, insbesondere im Emirat Dubai, erzielen sollten. Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war für die Fondsgesellschaften als Mittelverwendungskontrolleur tätig. Ein Mittelverwendungskontrolleur ist eine Person, die zu überwachen hat, ob die Einlagen der Anleger von der Fondsgesellschaft gemäß den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags verwendet werden.
Sachverhalt: In den mit den Fondsgesellschaften geschlossenen Mittelverwendungskontrollverträgen war nur die Kontrolle der deutschen Fondskonten vorgesehen, wohingegen die Emissionsprospekte der Fondsgesellschaften mit einer doppelten und objektbezogenen Mittelverwendungskontrolle warben („alle finanziellen Transaktionen der Fondsgesellschaft … bis hin zur Investition in die konkreten Zielobjekte … durchgängig in Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten“). Der Mittelverwendungskontrolleur kontrollierte die Fondsgelder auf den deutschen Konten nur eingeschränkt; eine Mittelverwendungskontrolle in Dubai fand nicht statt. Alle beteiligten Unternehmen - mit Ausnahme des beklagten Mittelverwendungskontrolleurs - sind mittlerweile insolvent. Der Initiator der Unternehmensgruppe wurde vom Landgericht Koblenz wegen Veruntreuung von Anlegergeldern in Millionenhöhe rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Hierzu führte das Oberlandesgericht Koblenz weiter aus:
  • Das Landgericht hatte in zahlreichen Fällen die Schadensersatzklagen bereits deshalb abgewiesen, weil die Anleger keine eigenen Rechte aus den Mittelverwendungskontrollverträgen herleiten könnten.
  • Auf die Berufung der Anleger hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts den Mittelverwendungskontrolleur nunmehr verurteilt, den Anlegern Schadensersatz zu zahlen.
  • Nach Auffassung des Gerichts schützen die Mittelverwendungskontrollverträge aufgrund ihres konkreten Wortlauts und ihres Zwecks (auch) die Anleger.
  • Der Mittelverwendungskontrolleur hätte die Anleger vor der Zeichnung darüber aufklären müssen, dass ihm die mit den Fondsgesellschaften vereinbarte Mittelverwendungskontrolle von vornherein keine ausreichende Handhabe bieten konnte, eine Veruntreuung der Einlagen zu verhindern.
  • Es bestanden erhebliche regelwidrige Auffälligkeiten und prospektwidrige Umstände (Widersprüche zwischen Mittelverwendungskontrollvertrag und Emissionsprospekt, nur widerrufliche Kontovollmacht des Mittelverwendungskontrolleurs, keine Einflussmöglichkeit des Mittelverwendungskontrolleurs auf die Fondsgelder in Dubai).
  • Während der Mittelverwendungskontrolleur den konzeptionell angelegten Widerspruch zwischen Emissionsprospekt und Mittelverwendungskontrollvertrag kennen musste, konnte der durchschnittliche Kleinanleger auch bei sorgfältiger Lektüre des Emissionsprospekts die Widersprüche und Unklarheiten nicht hinreichend deutlich erfassen.

Anmerkung: Infolge der unterlassenen Aufklärung hat der Mittelverwendungskontrolleur die geschädigten Anleger so zu stellen, wie sie stünden, als ob sie den Fondsgesellschaften nicht beigetreten wären (sog. Zeichnungsschaden: Einlagesummen abzüglich etwaiger Ausschüttungen).
Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, Pressemitteilung v. 16.3.2016

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