Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Montag, 26. September 2016

Kriegsgefahr durch Narzissten Warum Donald Trump so gefährlich wie Wilhelm II. ist Wenn narzisstisch geprägte Persönlichkeiten wie Donald Trump oder Wilhelm II. an die Spitze eines Staates gelangen, können ihre Führungsziele und Führungsmethoden den Frieden gefährden – und dem „bösen Zufall“ Tür und Tor öffnen. Ein Gastbeitrag.

Kriegsgefahr durch NarzisstenWarum Donald Trump so gefährlich wie Wilhelm II. ist

Wenn narzisstisch geprägte Persönlichkeiten wie Donald Trump oder Wilhelm II. an die Spitze eines Staates gelangen, können ihre Führungsziele und Führungsmethoden den Frieden gefährden – und dem „bösen Zufall“ Tür und Tor öffnen. Ein Gastbeitrag.
 von JÖRG LINK
© APVon sich selbst überzeugt: Donald Trump
„Säbelrasselnd stolpert er über das internationale Parkett, düpiert, brüskiert und bedroht das zunehmend besorgte Ausland“. Nein, damit war nicht Donald Trump gemeint, sondern Wilhelm II. Aber an diese Charakterisierung (von John C.G. Röhl) fühlt man sich erinnert, wenn man wieder einmal mit einer der Eskapaden von Donald Trump konfrontiert wird. Und hieran knüpfen sich – genau wie vor dem Ersten Weltkrieg – die Ängste der Menschen, wohin das eines Tages führen könnte.
Mehr zum Thema
Schon damals wurde deutlich, dass durch verantwortungsloses Reden und irritierendes, martialisches Verhalten Spannungen aufgebaut werden können, die zu ihrer „Entladung“ dann oft nur noch eines Zufalls (wie in Sarajevo) bedürfen. Dabei traf den Deutschen Kaiser zweifelsohne eine Mitverantwortung, indem er über Jahrzehnte hinweg und bis hin zu seinem „Blankoscheck“ an Österreich durch sein Verhalten zum Spannungsaufbau mit beigetragen hatte. Neuere Forschungsarbeiten haben deutlich gemacht, dass damals niemand – auch Wilhelm II. nicht – den Weltkrieg wollte, sondern am Ende der Zufall eine verhängnisvolle Rolle spielte. Das Argument, es wäre früher oder später unvermeidlich doch noch zum Ausbruch des Krieges gekommen, wird zum Beispiel weder von Christopher Clark noch von Herfried Münkler geteilt. Beide sehen hinreichende Anhaltspunkte für andere mögliche Entwicklungen.

Trump und Wilhelm II. eint ein gefährliches Rollenverständnis

Es gibt viele Stimmen, die sowohl bei Wilhelm II. als auch bei Donald Trump Persönlichkeitsmerkmale sehen, die für einen „Narzissten“ typisch sind und damit ein Rollenverständnis markieren, das in einer herausgehobenen Position der Politik als gefährlich angesehen werden muss. Bevor dies näher erläutert wird, sei ein kurzer Blick auf beide Persönlichkeiten vorangestellt.
Zunächst zu Wilhelm II.: Hervorgehoben wird insbesondere seine Unausgewogenheit. Sie äußerte sich zum einen in einer Sprunghaftigkeit, die ihn zwischen Drohgebärden und Rückzugsgefechten hin und her schwanken ließ. Unausgewogenheit zeigte sich aber auch in Wilhelms Überschwänglichkeit. Seinen Stil empfanden viele als unangemessen und unreif. Eine dritte Form der Unausgewogenheit waren seine Empfindlichkeit, Großtuerei und Inszenierungssucht.
42562094© DPAVergrößernKaiser Wilhelm II.
Wilhelms Führungsstil war ausgeprägt autokratisch. Von allen Politikern und Diplomaten erwartete er ein sehr angepasstes Verhalten. Selbständige Meinungsäußerung und Widerspruch wurden ungnädig quittiert. Er wollte alles selbst machen und mischte sich überall ein. Konsequenzen waren unwürdige Gängelung, Liebedienerei, Günstlingswirtschaft und die Entmachtung der zuständigen Organe. Diese mutierten zu bloßen Ausführungsgehilfen des höchstherrschaftlichen Willens.
Es gab jeweils zwei Alternativen: Entweder lagen die Willensentschließungen des Monarchen schon so fest, dass die Minister und Staatssekretäre sie nur resignierend entgegennehmen konnten. Oder aber Wilhelm zeigte sich als ausgeprägter Gefühls- und Augenblicksmensch, was einer rational nüchternen Handlungsweise naturgemäß entgegenstand. Er prägte entscheidend das Bild, das Deutschland der Welt bot. Der Historiker Christopher Clark bemerkt dazu: „Wer verkörperte die beunruhigenden Aspekte der deutschen Außenpolitik (ihre Schwankungen, die fehlende Ausrichtung und frustrierten Ambitionen) besser als der fieberhafte, taktlose, zu Panik neigende und herrische Kaiser Wilhelm II.“?

Auch Trump zeigt ausgeprägt autokratisches Verhalten

Die Ähnlichkeiten zwischen Wilhelm und Trump werden an verschiedenen Stellen deutlich. Auch dem Republikaner wird eine Unausgewogenheit attestiert – auch bei ihm als Sprunghaftigkeit, die ihn zwischen Drohgebärden und Rückzugsgefechten hin und her schwanken lässt. Auch bei ihm sehen Beobachter Überschwänglichkeit und einen unangemessenen und zum Teil unreifen Stil. Auch bei ihm Empfindlichkeit, Großtuerei und Inszenierungssucht.
Desgleichen wird bei Trump ausgeprägt autokratisches Verhalten deutlich, das selbständige Meinungsäußerung oder gar Widerspruch ebenfalls ungnädig quittiert. Die Umwelt zerfällt ganz schnell in Freund und Feind, was bei der Auswahl von Beratern oder Mitarbeitern zu einer allmählichen Selektion von Jasagern führt. Auch Trump zeigt sich oft als ausgeprägter Gefühls- und Augenblicksmensch.
Nach der übereinstimmenden Meinung zahlreicher Beobachter, Autoren und Kommentatoren haben viele dieser Merkmale etwas mit Narzissmus zu tun, weshalb sowohl Wilhelm II. als auch Trump von ihnen in diese Kategorie eingeordnet werden. Eine zentrale Wurzel dieser narzisstischen Merkmale ist das überwältigende Gefühl der eigenen Bedeutung, Großartigkeit und Überlegenheit. Dafür wird höchste Bewunderung und Gefolgschaft eingefordert. Die eigene Inszenierung wird wichtiger als alle sachlichen Aspekte. Der Bezug zur Realität und zur Wahrheit geht verloren.
Wie wirkt sich dies auf den Führungsprozess und den Führungserfolg solcher Persönlichkeiten aus, besonders wenn sie an der Spitze eines Staates stehen?
Professionelle strategische Führung zeichnet sich vor allem durch eine ausgeprägte Neigung und Fähigkeit zur Entscheidungsreflexion aus. Das bedeutet kritisches Hinterfragen und Hinterfragen-Lassen von Annahmen und Handlungsalternativen. Dazu gehört sowohl Nachdenklichkeit als auch die Bereitschaft zum Hintanstellen der eigenen Person und Position. Bei der schicksalhaften Bedeutung der Entwicklung internationaler Beziehungen bis hin zu Fragen von Krieg und Frieden kann diese Forderung gar nicht ernst genug genommen werden. Die vorstehenden Ausführungen haben aber erkennen lassen, dass gerade diese Bereitschaft und Fähigkeit bei Wilhelm II. und Donald Trump in Frage gestellt werden muss.

Gefahr einer auftrumpfenden Politik der Stärke

Hinsichtlich der Führungsziele und -strategien besteht angesichts einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur die Gefahr einer auftrumpfenden Politik der Stärke, wie dies bereits bei Wilhelm II. deutlich geworden ist. Ebenso fehlte bei ihm eine „strategische Mentalität“ zur frühzeitigen Erfassung und Risikobewertung „schwacher Signale“, die schon ab 1900 die für Deutschland bedrohliche „Einkreisung“  hätte erfassen und artikulieren können. Alle Führungsfehler zusammen – Politik der Stärke, Auftreten des Kaisers, Unterbinden von Reflexion, Fehlen strategischer Mentalität, mangelnde Entscheidungsfundierung und Führungsentlastung, Dominanz des Militärs – haben zum Spannungsaufbau in Europa vor dem Ersten Weltkrieg beigetragen. In einer angespannten Situation aber – hier ist oft die Rede von dem berüchtigten „Pulverfass“ – wächst auch die Zufallsabhängigkeit. Je mehr die Politik und ihre Akteure es zu Situationen kommen lassen, in denen es „Spitz auf Knopf“ steht, umso größer ist die Möglichkeit des „bösen“ Zufalls.
Dies ist im Buch „Schreckmomente der Menschheit. Wie der Zufall Geschichte schreibt“ auch für viele andere geschichtliche Situationen aufgezeigt worden. Im Kalten Krieg stand die Menschheit mehrfach dicht vor der atomaren Auslöschung. In der Kuba-Krise 1962 war es nach dem damaligen amerikanischen Verteidigungsminister McNamara purer Zufall, dass der Nuklearkrieg nicht ausbrach. Wie so etwas heute unter einem Präsidenten Trump – mit dem Gegenspieler Putin – aussehen würde, ist genau die Frage, die viele Menschen umtreibt.
Dr. Jörg Link ist emeritierter Professor und Autor des Buches „Schreckmomente der Menschheit. Wie der Zufall Geschichte schreibt“. Tectum-Verlag, Marburg 2015.

© AFP, REUTERSSpannung vor erstem Fernsehduell zwischen Clinton und Trump

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen