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Montag, 21. August 2017

SPON: Venezuela droht der Kollaps - dass das Land noch nicht bankrott ist, hat es auch der Hilfe aus Russland zu verdanken. Allen voran der Ölkonzern Rosneft sichert der Linksregierung in Caracas das wirtschaftliche Überleben.

Ölgeschäfte mit RosneftWie Russland Venezuela am Leben hält

Venezuela droht der Kollaps - dass das Land noch nicht bankrott ist, hat es auch der Hilfe aus Russland zu verdanken. Allen voran der Ölkonzern Rosneft sichert der Linksregierung in Caracas das wirtschaftliche Überleben.
© Pablo Castagnola
Von , Mexiko-Stadt
AFP

Es war Anfang Oktober, als die venezolanische Regierung mit großem Pomp eine sechs Meter große Bronzestatue von Hugo Chávez in dessen Geburtsort Sabanetas einweihte. Erschaffen hat die Büste ein russischer Künstler und bezahlt wurde sie vom russischen Ölkonzern Rosneft auf Anweisung von Präsident Wladimir Putin. Staatschef Nicolás Maduro reiste mit hochrangigen russischen Gästen extra in die Provinz, wo ein russischer Chor die venezolanische Nationalhymne intonierte. Das Staatsfernsehen übertrug live. Und so wirkte die Einweihung des Chávez-Monuments wie ein großer Akt der russisch-venezolanischen Völkerverständigung.
Am Rande der Feierlichkeiten unterzeichnete Rosneft-Chef Igor Setschin mit dem Staatskonzern Petróleos de Venezuela (PDVSA) Kooperationsverträge in Höhe von 20 Milliarden Dollar für gemeinsame Explorationsprojekte in dem südamerikanischen Land. Anschließend sprach Setschin ein paar warme und bedeutungsvolle Worte vor den geladenen Gästen: "Vielen Dank für das Vertrauen in uns." Und sein letzter Satz ging schon im Applaus unter: "Russland und Venezuela, immer vereint!".
Ein knappes Jahr später zeigt sich, wie viel Wahrheit in den Worten eines der mächtigsten Männer der russischen Politik steckte. Auf der unaufhörlichen Suche nach Geld und Krediten schmiegt sich die linksnationalistische Regierung in Caracas immer enger an Russland an. Im Gegenzug bietet Maduro den Russen lukrative Teilhabe an Öl- und Gasförderprojekten. Im Zentrum steht dabei ein Konzern, der aktuell auch in Deutschland im Blickfeld steht, weil Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder dort als Aufsichtsrat anheuern soll: Rosneft (mehr zu Rosneft lesen Sie hier).
Rosneft schießt das Geld vor
Venezuela verfügt mit mehr als 300 Milliarden Barrel über die größten nachgewiesenen Erdölreserven weltweit. Davon fördert PDVSA wegen veralteter Anlagen täglich nur noch gut 2,1 Millionen Fass, rund 500.000 weniger als noch vor zwei Jahren. Da ist Hilfe willkommen.
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Venezuela und Russland: Bündnis ums Öl
Russland nehme in Venezuelas Wirtschaft eine immer stärkere Rolle ein und sei dabei, China als wichtigsten Partner zu verdrängen, sagt Asdrúbal Oliveros, Chef der privaten Wirtschaftsberatungsfirma "Ecoanalítica" in Caracas. "Russland und Rosneft steigern ihr Engagement hier stetig." So habe Rosneft an PDVSA Kredite in Höhe von mindestens drei Milliarden Dollar vergeben, zudem mehrmals Geld vorgeschossen, das auf künftige Öllieferungen verrechnet werden soll, sagt Oliveros.
Im August hatte Rosneft demnach sechs Milliarden Dollar als Vorauszahlung auf künftige Öllieferungen an PDVSA überwiesen. Eine weitere Milliarde zahlte Rosneft im April. Hinzu komme noch ein Kredit der Regierung in Höhe von 2,6 Milliarden Dollar. "Venezuelas Schulden gegenüber der Regierung in Moskau und bei Rosneft belaufen sich auf mittlerweile rund zehn Milliarden Dollar", sagt Oliveros. Noch größer sind nur die Schulden bei China. Sie betragen rund 27 Milliarden Dollar.
Moskaus geopolitische Interessen
Die Regierung in Moskau nimmt die Einladung aus Caracas zu engerer Zusammenarbeit vor allem aus geopolitischen Überlegungen gerne an, da Russland so in Lateinamerika Einfluss gewinnt und auch Zugang zu den Rohstoffreserven des Landes erhält. Das Engagement Moskaus sei daher durchaus strategisch angelegt, sagt ein westlicher Beobachter in der venezolanischen Hauptstadt. "Ein treuer Verbündeter vor der Haustür der USA ist ihnen viel Wert."
Eine Win-win-Situation also. Russland setzt sich in einem Land immer weiter fest, das für Washington zu seinem natürlichen Einflussgebiet gehört. Und Caracas hat einen potenten Sponsor, der vorerst das wirtschaftliche Überleben der klammen Linksnationalisten sichert.
In mindestens zwei Fällen hat Maduro die Petrodollar aus Russland bereits dafür eingesetzt, Zinsen an die Gläubiger von PDVSA-Anleihen zu zahlen und so einen Staatsbankrott zu vermeiden. Das Verhältnis zwischen den beiden Ländern erinnert fast an die Zeiten vor dem Ende der Sowjetunion, als Moskau in Kuba die Castro-Regierung wirtschaftlich stützte und dafür zugleich strategisch einen Fuß im "Hinterhof" der USA hatte.
Dabei datiert die russisch-venezolanische Kooperation schon von 2006, als der damalige Präsident Chávez mit Putin in Moskau den ersten Kooperationsvertrag zwischen Rosneft und PDVSA in Höhe von vier Milliarden Dollar unterzeichnete. Aber erst seit rund einem Jahr hat sich die Kooperation deutlich intensiviert.
Und mittlerweile wirken Russlands Milliarden wie der Rettungsring für einen Ertrinkenden. Maduro und sein "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" haben kaum noch Devisenreserven, um Schulden zu bezahlen oder Lebensmittel und Medikamente für die darbende Bevölkerung zu importieren. Darüber hinaus leidet das Land unter einer galoppierenden Inflation, die sich laut Internationalem Währungsfonds (IWF) auf 720 Prozent beläuft. Die Wirtschaftsleistung wird dieses Jahr laut Schätzungen um 7,4 Prozent schrumpfen.
Zudem wird die Regierung Maduro international zunehmend isoliert. Die Chinesen würden ihr Engagement in dem südamerikanischen Land "eher einfrieren", sagt Experte Oliveros vorsichtig. Andere Quellen berichten davon, dass Peking angesichts schlechter Zahlungsmoral und der Korruption bei den venezolanischen Partnern bestimmte Joint Venture sogar komplett aufkündige.
Abhängig von den USA
Die autoritäre Wendung der vergangenen Monate mit der Wahl zur umstrittenen Verfassunggebenden Versammlung Ende Juli als Höhepunkt hat international zu heftigen Reaktionen geführt. Teile Lateinamerikas, die Europäische Union und die USA erkennen die Wahl nicht an, mit der die Regierung das oppositionelle Parlament kaltstellen will. Staaten wie Argentinien, Brasilien und der Nachbar Kolumbien kappen nach und nach die Wirtschaftsbeziehungen zu Caracas. Die USA haben Sanktionen gegen Maduro verhängt, schrecken aber davor zurück, Venezuela kein Öl mehr abzukaufen. Ein US-Boykott des venezolanischen Rohstoffs könnte für Maduros Regime den Zusammenbruch bedeuten.
638.000 Fass, rund 30 Prozent der täglichen Fördermenge, gingen im Juli in die USA. Bei einem Preis von derzeit rund 46 Dollar (39 Euro) für die venezolanische Mischung bekommt Venezuela demnach täglich 29 Millionen Dollar pro Tag aus den USA überwiesen. Fiele dieses Geld weg, droht Caracas die sofortige Zahlungsunfähigkeit. Acht bis zehn Prozent ihres Ölbedarfs decken die Vereinigten Staaten in dem südamerikanischen Land. Die könnten sie auch woanders zukaufen. Andererseits sind viele US-Raffinerien im Golf von Mexiko genau auf das besonders schwere venezolanische Öl geeicht.
Die Verbindung mit Russland verschafft der Regierung in Caracas nun wieder etwas mehr Luft. PDVSA und Rosneft sollen nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters bereits seit Jahresanfang im Geheimen um neun weitere Förderprojekte verhandelt haben, wie die Agentur einen ungenannten Vertreter der Regierung in Caracas zitiert. Die möglichen Joint Venture liegen im Orinoco-Delta, wo sich die größten Reserven des Landes befinden, im Maracaibo-See und im Golf von Paria. Bereits jetzt arbeiten Russland und Venezuela in fünf Öl- und Gasprojekten zusammen.
Daher hat Russland keinerlei Interesse an einem Regierungswechsel in Caracas. Präsident Putin hat die umstrittene Verfassunggebende Versammlung bereits anerkannt und die Hoffnung geäußert, "dass sich keine externen Akteure in die Situation des Landes einmischen".

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